24.4.24

Blogpause

 Ihr Lieben, würde ich im Normalfall beginnen, aber der Normalfall existiert nicht mehr. Mein Blog hat so gut wie keine Besucher mehr. 

Ich wurde schon abgestraft, als ich vor Jahren umgestellt habe auf biografische Texte. Auf Autorinnen per Inhaltsangabe und Buchbeginn aufmerksam zu machen, weckt auch kein Interesse. Aber auch bei längeren Texten habe ich null Reaktion.

Anscheinend müssen Blogbeiträge in den sozialen Medien geteilt werden, um mal jemanden herzulocken. Da ich da aber nicht mehr bin, sind mir diese wenigen Leserinnen* auch noch weggebrochen. 

Innerhalb von drei Jahren hatte ich kürzlich mal einen Kommentar. 

Alles nicht ermutigend. Für noch einen Kampf, Kontakte in der Bloggerwelt zu finden, habe ich keine Kraft mehr.

Von daher mache ich jetzt eine längere Pause und werde mich in dieser Zeit entscheiden, ob ich die drei Blogs noch weiterführe.

Salli Sallmann: Badetag

Die verschwiegene Bibliothek in der Edition Büchergilde; herausgegeben von Ines Geipel und Joachim Walther - 


Inhalt

Warum hast du nur ,Badetag' gesungen? Jetzt heißt es, der Chansonclub Leipzig verbreitet feindlich negative Texte", wird Salli Sallmann nach einem seiner Auftritte vorgeworfen. Das ist der Anfang vom Ende des Liedermachers in der DDR. Tatsächlich geht es in dem Lied nur um eine zu enge Küche und um Liebe in der Badewanne. Salli Sallmanns autobiografische Berichte, Balladen und Gedichte zeigen den authentischen DDR-Alltag, erzählen vom Eigensinn in einem repressiven System und von den möglichen Folgen, benennen, was die Menschen bewegte, was sie fröhlich stimmte oder ver zweifeln ließ. Ein zeitgeschichtliches Dokument von besonderer Relevanz und Eindringlichkeit.


Buchbeginn

Menschen, die in der DDR Gitarre spielten, eigene Melodien und eigene Texte verfassten und auch noch der Meinung waren, mit ihren musikalischen Produkten auftreten zu müssen, benötigten eine ordentliche staatliche Erlaubnis, da die DDR-Behörden meinten, in der DDR müsse es ordentlich zugehen und da könne nicht jeder einfach so singen, was er will.


DDR, 1970er-Jahre. Der Liedermacher Salli Sallmann trat während seiner Studienzeit bei allen Möglichkeiten auf, die sich ihm boten. Bis man ihm mitteilte, dass er damit strafbare Handlungen beging. Um auftreten zu dürfen, brauchte er eine Auftrittserlaubnis und zusätzlich musste er sich einem Ensemble angliedern. Die Aufnahmeprüfung hatte er nur geschafft, weil er seine Liebesballaden, aber keine politischen Songs zum Besten gab.

Er wurde vom Chansonclub Leipzig aufgenommen, den Ortwin Quartz leitete. Dieser Club sang das Repertoire des "Oktoberklub", wie zum Beispiel "Brüder zur Sonne zur Freiheit", "Sag mir, wo du stehst" - "und alle gängigen Freiheitslieder der Befreiungsbewegungen sowie sowjetische Solidaritäts- und Militärlieder.

Salli Sallmann erhielt aber gleich zu Beginn die Order, keine politischen Texte zu singen:

",Da ist nur eine Sache', sagte Ortwin Quartz nach einem Auftritt im Maschinenbau-Klubhaus ,Roter Oktober'. ,Manche deiner Songs passen nicht besonders zu unserem Programm. Sing doch bei uns lieber deine schönen traurigen Liebeslieder und lass die politischen Sachen weg. Wir pflegen hier das Chanson, und wir wollen doch Erfolg haben, aufsteigen, auch mit dir zusammen! Da musst du uns auch ein bisschen entgegenkommen!'"

Doch schon beim nächsten Auftritt trickste Salli und sang als letztes die "Bahnhofsballade", die davon erzählte, wie er wegen seiner "langen Haare von der Transportpolizei verprügelt worden war".

Nach dem vorprogrammierten Ärger gelobte er Besserung. Aber nicht für lange. Während eines Auftritts im Leipziger Klubhaus der SED-Parteiveteranen sangen sie "Bella Ciao", "Partisanen vom Amur", "We shall overcom", "Wem gehören die Fabriken?" und "Die ganze Erde uns und kein Stück unseren Feinden". Während dieses Auftritts brach die Solistin zusammen. 

In heller Aufruhr meinte Ortwin Quartz, Salli solle weitermachen. Doch der konnte mit den politischen Texten nichts anfangen. Dann eben dein Zeug, meinte Quartz und Salli nahm ihn natürlich beim Wort. Und so sang er mit seiner Gitarre vor zweihundert Veteranen der SED sein "Spielzeuglied" (gegen den Verkauf von Kriegsspielzeug in DDR-Kaufhäusern), "Badetag", "in dem auf miese Wohnverhältnisse in der DDR angespielt wurde, und einen Song über das Trampen in der DDR. Hier geht es darum, dass man den "Zwängen der Zeit" "den Zahn ziehen sollte", und sei es durch Flucht. Der Beifall hielt sich in Grenzen.

Und die Quittung folgte in Form eines Briefes auf dem Fuße:

"Der Chansonclub Leipzig hat aufgrund der Vorkommnisse beim Auftritt vor Parteiveteranen und der folgenden Aussprache beschlossen, nicht mehr mit Salli Sallmann aufzutreten."

Somit erlosch auch seine Auftrittsgenehmigung als Solist. Er zögerte es so weit wie möglich hinaus, seinen Ausweis zurückzugeben, um noch so viele Auftritte wie möglich machen zu können.

Die Partei schloss notorische Trinker aus. Sie wusste auch, warum die Menschen im Kapitalismus so viel tranken: Weil es ihnen so schlecht geht. 

Da frage ich mich doch, warum so viele Menschen in der DDR tranken. Denn das war ein großes Problem (weiß ich aus eigener trauriger Familienerfahrung). 

Kennt jemand die Serie "Kiezgeschichten"? Das war noch eine DDR-Serie von 1987. Da geht es um die Bewohner der Griseldastraße 9 in Berlin. An und in den Häusern wurde gebaut und man sah, dass die Schnapsflaschen schon am Vormittag auf dem Tisch standen. 

Salli war eines der Kinder, das auf dem Schulhof verprügelt wurde. Als er einmal laut um Hilfe schrie und dabei die Augen verdrehte, ließen ihn die Jungen lachend los. Und so wurde Salli Klassenkasper. Das verschlechterte zwar seine Betragensnote, aber er gewann, warum auch immer, Freunde.

Doch auch die Feinde blieben nicht weg. Auf dem Heimweg wurde er immer noch verprügelt. Heute nennt man das Mobbing. Damals hat es kaum jemanden interessiert. Die Eltern wollten es nicht hören und in der Schule was zu sagen, machte die Sache nur noch schlimmer.

Dann fiel den Jungen auf, dass Salli sein Pioniertuch nicht trug (er hat einfach nicht den entsprechenden Knoten hinbekommen), und sie zwangen ihn, die Pioniergebote auswendig zu lernen:

"WIR JUNGPIONIERE lieben unsere Deutsche Demokratische Republik. WIR JUNGPIONIERE helfen mit, den Frieden zu schätzen. WIR JUNGPIONIERE lieben unsere Eltern. WIR JUNGPIONIERE halten Freundschaft mit den Kindern aller Länder. WIR JUNGPIONIERE lernen fleißig, treiben Sport und halten unseren Körper sauber. WIR JUNGPIONIERE sagen die Wahrheit. WIR JUNGPIONIERE helfen überall tüchtig mit. WIR JUNGPIONIERE singen, tanzen und spielen gern. WIR JUNGPIONIERE sind gute Freunde und helfen einander. WIR JUNGPIONIERE tragen mit Stolz unser blaues Halstuch."

Der Klassenkasper blieb Salli erhalten, auch, als er schon Thälmannpionier war. In Erdkunde zum Beispiel kam der Kasper durch, als der Lehrer "über die verschiedenen Klimazonen der Erde" vorlas und die Ausdehnung der Subtropen erklärte. Verständlicherweise, würden wir die Gegenden doch nie mit eigenen Augen sehen können.

Salli ist wissbegierig. Er stellt viele Fragen - nach den Juden zum Beispiel. Woran erkennt man sie. Nach dem Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland. In den Schulbüchern lesen sie über das kapitalistische Elend. Doch wenn jemand aus der Klasse Westbesuch bekommt, kommt alles Schöne, Bunte, Wohlhabende (Schallplatten, geschmuggelte Bücher, Jeans, Zigaretten, Schokolade). Aber "Made in Germany" sind wir im Osten doch auch.

Salli ist 14. Als er ein polnisches Mädchen, deren Familie in die DDR kam, weil der Vater Arzt war und viele Ärzte in den Westen gegangen sind, als Judensau beschimpft, gibt es mächtig Ärger. Der Vater kommt in die Schule und Salli muss sich bei ihm entschuldigen. Dabei sieht er, dass dem Mann Tränen in den Augen stehen. Am Nachmittag kommt der Arzt auch zu ihm nach Hause und drückt ihm ein paar Bildbände in die Hand. Bilder, wie die Nazis in Polen gewütet haben. Da kommt Salli dann doch ins Grübeln. In der Clique, wo über die Juden geschimpft wurde, fühlt er sich dann nicht mehr wohl.

"Die Clique und ich, wir waren auseinander. Die verstanden nicht, dass ich nicht Hitler meinte, wenn ich davon redete, dass es ehrlicher zugehen müsse im Sozialismus. Ich verstand nicht mehr, was das miteinander zu tun haben sollte: der deutsche gescheiterte Nazidiktator als Alternative zu den DDR-Zuständen."

Im Frühjahr 1968 erlebte Salli die Auswirkungen des Prager Frühlings mit. Er lebte ja nahe der Grenze zur CSSR. Ein 18-jähriger Junge aus seinem Ort wurde denunziert, als er den Namen "Dubček" an eine Wand schrieb. Der war die Leitfigur des Prager Frühlings. Zwei Jahre musste der Junge im Bautzener Zuchthaus absitzen. Als er wieder draußen war, wurde er im Ort von den Leuten geschnitten.

Kommunalwahl. Da Salli zwei Wohnsitze hatte, bekam er die Unterlagen zu spät und er wollte sich der Stimme enthalten. Keiner der Wahlhelfer konnte oder wollte ihm sagen, wie er zu verfahren hatte. Sie fühlten sich nur in ihrem Ablauf gestört. Ihm wurde vorgeworfen, gegen den Sozialismus zu sein, undankbar zu sein, wo er doch sogar studieren durfte.

Unverrichteter Dinge verließ Salli das Wahllokal.  Nachmittags standen zwei Männer in grauen Anzügen und SED-Parteiabzeichen vor der Tür. Einer trug die Wahlurne. "Warum wollen Sie denn unsere Kandidaten nicht wählen, es sind doch die Kandidaten der Nationalen Front? Andere kriegen Se nicht!"

Salli blieb "uneinsichtig". Wenn er die Kandidaten nicht kennt, wählt er sie auch nicht.

"Zurück zum Studium in Leipzig meldete ich mich polizeilich mit Hauptwohnsitz an, um mich besser auf die nächste Kommunalwahl vorbereiten zu können."

1972, Salli ist 19 und Student der Ingenieurökonomie an der Fachschule für Bauwesen in Leipzig.

In Halle wird "Die neuen Leiden des jungen W." von Ulrich Plenzdorf im Theater aufgeführt. "Die Jugend, das dürfen plötzlich wir sein, mit Lederjacken, in Blue Jeans und Parkas. Mit langen Haaren und Bärten, in Rockerklamotten, so sitzen wir in den Theaterreihen und können nicht fassen, was da auf der Bühne geschieht."

Wolf Biermann ist seit einigen Jahren verboten. Salli will unbedingt mit ihm reden. Er macht sich per Anhalter auf nach Berlin und sucht ihn. Einziger Anhaltspunkt. Eine Schallplatte soll "Chausseestraße" heißen. Und eine dreistellige Hausnummer, die mit 1 beginnt. Er findet ihn tatsächlich. Und Biermann gibt ihm einen Tipp mit auf den Weg, an wen er sich in Leipzig wenden kann: Pannach (Gerulf, Liedermacher und Texter). Bei dem kann er sich vielleicht was abgucken.

Salli trägt das Herz auf der Zunge. Das Richtige zu den falschen Leuten zu sagen, bringt ihm den Rausschmiss aus der Ingenieurschule ein. Auch das Auftrittsverbot besteht weiterhin.

Im Weiteren verschlimmert sich die Lage. Darüber möchte ich nicht so detailliert schreiben. Ich rege mich schon beim Lesen genug auf. Ich hoffe aber, ich konnte euch mit dem Bisherigen neugierig genug auf das Buch machen.

21.4.24

Annie Proulx: Ein Haus in der Wildnis

Endlich schaffe ich es, mal etwas mehr über ein Buch zu schreiben, als nur den Klappentext und Buchbeginn. Dabei ist es kein Buch, dem ich die höchste Wertung geben würde.

Doch ich möchte schon seit Jahren einen zweiten Versuch mit dieser Autorin wagen, von der ich mir auf Verdacht eine Reihe Bücher gekauft habe, weil einige Leserinnen, deren Urteil ich doch ganz gut vertraue, von Annie Proulx schwärmen. 

Der erste Versuch - "Schiffsmeldungen" ging schief. Ich hatte vorab die Verfilmung gesehen. Zu krass fiel mir der Unterschied der Hauptfigur zwischen Buch und Film aus. Dabei gefiel mir die Geschichte sehr gut. Und ich werde es mit dem Buch noch einmal probieren.


Inhalt

Wer kann so verrückt sein, sich mit über siebzig Jahren noch ein Haus in einer völlig unzugänglichen Wildnis zu bauen?

Annie Proulx natürlich.

In ihren Erinnerungen erzählt Annie Proulx von der Liebe zu ihrer Wahlheimt Wyoming und ihrem Traum, sich dort, in einer ganz einsamen Gegend an einem Fluss unterhalb schroffer Klippen inmitten von Präriegras und Sumpf, das Haus ihrer Träume zu bauen. Zugleich erforscht sie die Geschichte dieses einst von Indianern besiedelten Landstrichs sowie die faszinierende Familiengeschichte ihrer französischen Vorfahren, erinnert sich an ihre Kindheit, beobachtet Vögel und Natur. Annie Proulx abenteuerlicher Traum von einem Haus in der Wildnis wird so zum Panorama eines reichen Lebens und einer ganzen Welt.

 

Zu Beginn erzählt die Autorin von ihrer Familie. Die Erinnerungen reichen da bis ins 16. Jahrhundert zurück. 

Und immer wieder fließt Historisches über diesen Landstrich mit ein.

"Im Wesen des Menschen ist etwas, was unermüdlich danach strebt, die Vergangenheit entweder auszulöschen oder nach Hause zu tragen."

Oder auch eine schöne Naturbeschreibung:

"Eines Samstags Anfang Juni fuhren wir bei verblüffend windstillem Wetter zum Gipfel der Klippe von Bird Cloud hinauf. Stechmücken umschwärmten uns. Präriehunde bezogen wachsam Stellung, einen Fuß im Bau, und beäugten uns argwöhnisch. Die Bodendecker am Rand der Klippe und an ihrem Abhang waren voller Kissen unzähliger winziger Blüten, weiß, blau, gelb purpurn. Eine Pflanze namens ,Eriogonum', als wilder Buchweizen bekannt, gefiel mir besonders gut. Verschwenderisch blühten überall der Indianische Malpinsel in seinen vier Farben. Johanniskraut und gelber Mauerpfeffer, Hüllblumen und Flammenblumen, weiße Vergissmeinnicht und leuchtend blauviolette Lupinen. Auf dem Rückweg zum Haus hinunter am späten Nachmittag kamen wir an dem Lieblingsbaumstrunk des Virginia-Uhus vorbei, auf dem der Uhu döste, bis es Zeit wäre, sich aufzuraffen und nächtens Furcht und Schrecken zu verbreiten..."

Die Gegend, in der Annie Proulx bauen lässt, und sie ist immerhin schon über 70, ist sehr rau. Vom Wetter her, aber teilweise auch durch die Nachbarn, die hauptsächlich Rancher sind. Und die Kühe machen viel an Natur kaputt.
Dabei hat sie das Grundstück von einer Naturschutzbehörde gekauft. Aber denen ist weniger an Naturschutz gelegen, als an Geschäften mit den Ranchers.

Über den Hausbau erzählt sie sehr detailliert. Man könnte meinen, das lese sich langweilig, doch im Gegenteil, sie schreibt sehr interessant. Es geht vieles schief. Der Architekt zum Beispiel weiß anscheinend alles besser. So einige Gewerke schlampen. Über andere Sachen ist sie begeistert. Sie mag ein Haus mit Ecken und Kanten. Sie mag Schattenspiele in den Zimmern.

Als sie den ersten Winter hier erlebt, stellt sie fest, dass sie diese Jahreszeit gar nicht hier wohnen kann, denn da ist niemand, der die Gegend, insbesondere den Weg zum Haus vom Schnee befreit.
Immer wieder machen die Kühe Ärger. Annie Proulx überlegt, einen arbeitslosen Kuhvertreiber einzustellen, weil sie nicht noch mehr Zäune aufstellen möchte. Aber Zäune verspäten sich nicht und machen keinen Urlaub.

Probleme gab es auch mit den Tausenden von Büchern, welche katalogisiert und eingeräumt werden mussten. Diese zwei Tätigkeiten ließen sich schlecht vereinbaren.

"Heute, Jahre später, wünschte ich, wir hätten die Bücher anders eingeordnet. Die Datei ist schwierig zu benutzen. Die Stichwörter sind ungenau oder überschneiden sich, und die Bücher sind schwer zu finden, sofern ich mich nicht an den Namen des Verfassers oder an den Titel erinnern kann. Das kann ich oft genug nicht und suche stattdessen nach einem Buch, das meiner Erinnerung nach einen beschädigten blauen Einband haben müsste und früher neben einem Buch über Raubtiere stand. Einer meiner Träume, der wohl nie verwirklicht werden wird, ist der, die Bücher von einem Bibliothekar neu ordnen zu lassen, der nichts auf meine halsstarrigen Vorstellungen über Ordnungssysteme gibt."

Gegen Ende des Buches gibt es noch viel Historisches. Besonderes Interesse zeigte Annie Proulx "an den Spuren jener Zeiten, als die Indianer hier gelebt hatten". Sogar ihr Grundstück war interessant für archäologische Grabungen.

Im letzten Kapitel "Ein Vogeljahr" erzählt die Autorin von der Vogelwelt, mit der sie sich ihre neue Heimat teilt.

Zitate

"Mit dem ,Abkommen' von 1985 zwischen den Anangu, den Ureinwohnern des Gebiets, und der Regierung wurden die Anangu gezwungen, Uluru und Kata Tjuta dem National Park Service zu überlassen und zu erlauben dass Touristen Uluru besteigen. Ungeachtet der Tafeln des Park Service, die lediglich kundtun, dass die Ureinwohner das Besteigen des Bergs als Entweihung betrachten, klettern jedes Jahr Tausende Touristen rücksichtslos auf den Felsen."


"Wir schlüpfen in von anderen errichtete Häuser oder Wohnungen und haben fast nie eine Vorstellung davon, wie dort früher gelebt wurde, ob der erste Besitzer einen Obstgarten mit Kirschen und Birnen unterhielt, wie es zu der bizarren Treppe mit verschieden hohen Stufen kam, ob das große Stück Schiefer im hinteren Garten ein Wolfsstein ist, ob Indianer diesen Ort kannten und was sie dort taten. Solche Dinge fragte ich mich, als meine Familie in Neuengland immer wieder umzog, unsere Herzen in Vermont zurückließ, nach North Carolina weiterzog und dann nach Maine zurück, ohne jemals Zugehörigkeit zu einem dieser Orte zu entwickeln."

7.4.24

Alice Ekert-Rotholz

 Ich interessiere mich ja seit Jahren für vergessene Autorinnen und werde da bei Magda Birkmann fündig. Ich sitze oftmals da und überlege, über welche Autorin ich eine Kurzbiografie schreiben könnte. Klar, auf jeden Fall DDR-Autorinnen, habe ich doch jahrelang DDR-Bücher in einem Blog gesammelt, der jetzt von jemand anderem betreut wird.

Von Magdas Buchtipps habe ich mittlerweile einen ganzen Ordner voll auf dem PC und überlege nun, zu ihren entdeckten Autorinnen Kurzbiografien zu schreiben. 


Anfangen möchte ich heute mit Alice Ekert-Rotholz, die als Alice Maria Augusta Ekert am 5. September 1900 in Hamburg geboren wurde. Drei Jahre vor ihrem Tod am 17. Juni 1995 in London erschien 1992 ihr letztes Werk "Die letzte Kaiserin". Neben ihren Romanen schrieb sie zeitlebens auch Gedichte. Postum erschien bei Hoffmann und Campe im Jahr 2000 der Lyrikband "Im feurigen Licht. Gesammelte Gedichte von 1929 bis 1993". Ihr Sohn Heinz Redwood hat ihn herausgegeben und mit einem Nachwort versehen.

Erste Gedichte erschienen in den 1920er-Jahren in der "Weltbühne". Ihre Romane sind vorwiegend Gesellschaftsgeschichten, die in exotischer Umgebung spielen. Besonders in der BRD der 1950er- und 1960er-Jahre waren sie große Verkaufserfolge; die Gesamtauflage ihrer Werke liegt bei über drei Millionen verkaufter Exemplare. Man kritisierte sie oft wegen der klischeehaften Romantik, doch man gestand ihr einen gewissen „englischen“ trockenen Humor und Beobachtungsgabe zu.

Vergessen ist die Autorin noch nicht, denn schon in der 2. Hälfte der 1990er-Jahre bis in die 2000er-Jahre hinein wurden Werke von ihr neu aufgelegt. 

Alice Ekert war mit dem Zahnarzt Ludwig Rotholz verheiratet - von daher Ekert-Rotholz.

Von 1933 bis 1952 lebte sie mit ihrem Mann im Exil - zuerst in London, dann in Bangkok. Während dieser Zeit reiste sie nach Asien, Australien und in die Karibik.

1952 ging es zurück nach Hamburg, wo sie über Jahre als Journalistin arbeitete. Nebenher entstanden Reisebücher und Romane.

Als 1959 ihr Mann starb, zog Alice Ekert-Rotholz noch London, wo sie bis zu ihrem Tod in Hampstead lebte. Beigesetzt ist sie auf dem Highgate Cemetery in London.

5.4.24

Leena Lander: Die Insel der schwarzen Schmetterlinge

Die finnische Schriftstellerin Leene Lander wurde am 25. Oktober 1955 geboren. Sie gehört nicht zu den vergessenen Autorinnen, aber vielleicht zu den unbekannteren bei uns in Deutschland. Es gibt zwar eine Reihe deutschsprachiger Bücher von ihr, aber in den sozialen Medien und in Bücherforen ist sie mir noch nicht begegnet.

"In ihren Romanen wird der Perspektive der Kinder großen Raum gegeben. Sie thematisiert dabei ohne Verurteilungen Reizthemen, wie die Kooperation Finnlands mit den Deutschen im Zweiten Weltkrieg, finnischen Rassismus, Emanzipation, Umweltzerstörung oder Alkoholismus." - Wikipedia

Gerade habe ich mir mal angeschaut, was sie noch geschrieben hat, und stelle fest, dass ich alle Bücher von ihr lesen möchte.

Das Buch wurde 2014 zur Frankfurter Buchmesse, wo Finnland Ehrengast war, neu aufgelegt.


Bis über die Hälfte des Buches weiß ich noch nicht, warum die anderen Leser so begeistert sind und wie ich es einordnen kann - als Familiengeschichte? Als Krimi? Bisher kommt mir beides zu kurz.
Ich kann auch die Sprünge nicht richtig einordnen und die Personen mit den fremd klingenden Namen bzw. die nur "der Mann" und "die Frau" genannt werden.
Was ich weiß, ist, dass ich in einer Rückblende den Jungen Juhani Johansson kennenlerne. Der Vater ist Alkoholiker, die Mutter leidet wohl unter Depressionen. Nachdem sie das jüngste Kind ins Wasser fallen ließ und Juhani es wieder rausgeholt hat, kommt er auf eine kleine Insel vor der Küste Finnlands in ein Erziehungsheim für Jungen. Dort ist er anfangs allerlei Schikanen ausgesetzt. Doch er lebt sich mit der Zeit ein.
Kurz nach einem Besuch seines Vaters, der dem Heimleiter etwas von Seidenraupen erzählt, ereilt Juhani die Nachricht, dass seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen. Deren Unterlagen und ein bisschen Geld sollte er bekommen, wenn er das Heim mal verlässt...
Die Frau des Heimerziehers lebt in einer absolut unglücklichen Ehe. Sie fragt sich, ob und wie es sein kann, dass von dieser Ehe nichts mehr vorhanden ist. Der Mann hat zwar Kinder mit ihr in die Welt gesetzt - allerdings nur Mädchen - einen Jungen hat er durch einen Seitensprung.
Das Paar hat ansonsten nichts gemeinsam. Die Frau möchte unbedingt runter von der Insel, doch ihr Mann will die Arbeit nicht lassen. Und so beginnt sie eine Affäre mit einem der Zöglinge.
Die sie aber schnell wieder beendet, als sie sich draußen in den Dünen mit ihrem Liebhaber rumtrieb und auf einmal sah, wie eine ihrer Töchter in Richtung Wasser schlafwandelte.
Und dann überstürzen sich die Dinge und ich will nur noch wissen, wie es weitergeht und rase durch die letzten Seiten, die mich atemlos und wie vor den Kopf geschlagen zurücklassen.
Fazit: Nach meinem etwas holperigen Einstieg ins Buch bin ich doch jetzt rückblickend ganz begeistert.
 

4.4.24

Katja Kulin: Geliebte Orlando

 Inhalt

London 1922. Bei einem Abendessen lernt Virginia Woolf die zehn Jahre jüngere Vita Sackville-West kennen und ist so fasziniert wie eingeschüchtert von der burschikosen Hocharistokratin: Schön, skandalumwittert und schriftstellerisch erfolgreich ist sie ganz anders als Virginia, die sich als unzulänglich in allen Bereichen empfindet. Doch auch Vita ist hingerissen von Virginia, von ihrem Wesen, ihrem Geist. Aus Freundschaft wird berauschende Leidenschaft. Und eine tragische Liebe, die nicht nur Virginias Leben, sondern auch ihr Werk maßgeblich beeinflussen wird.


Buchbeginn

Jede Existenz kennt Momente, die überdauern. Erinnerungen, die ein Leben lang präsent bleiben, die, nur durch eine hauchfeine, durchlässige Membran vom Bewusstsein getrennt, jederzeit unverblasst und detailreich wieder aufblitzen können, angestoßen von einem Geruch, einem Geräusch, einem unbewussten Vorgang. Manchmal scheinen diese Erinnerungen ohne Grund besonders zu sein, es bleibt verborgen, warum gerade sie ein Leben lang erinnert werden und andere, die ebenso bedeutsam hätten sein können, nur durch die Erzählung von jenen, für die sie eben diese Eigenschaft haben, einen Platz im Gedächtnis zugewiesen bekommen.


Zitat

"Ich wünschte, du könntest für eine Woche in meinem Gehirn leben. Gewaltigste Wellen an Gefühlen durchfluten es."

Virginia an Vita, 2. März 1926


3.4.24

Elizabeth Jolley: Der Mann im Brunnen

 Aus dem Englischen von Franz Schrapfeneder

Laut Wikipedia wurden die Werke von Elizabeth Jolley (4.6.1923 - 13.2.2007) in zahlreiche andere Sprachen übersetzt, u. a. ins Spanische, Deutsche, Niederländische, Französische und Griechische.

Warum es nur vier Titel ins Deutsche geschafft haben, ist mir schleierhaft. Ich bin ja keine Literaturkritikerin, aber "Der Mann im Brunnen" muss ein Meisterwerk sein. 

Glücklicherweise habe ich die ins Deutsche übersetzten Bücher von ihr antiquarisch bekommen. 


Klappentext

Die ältliche Hester Harper holt ein junges Mädchen in ihr eigenes Leben im australischen Outback. Als Katherine eines Nachts jedoch einen Mann mit dem Auto anfährt, scheint die Freundschaft und friedliche Idylle der beiden Frauen plötzlich gefährdet zu sein. Heser läßt das Opfer im Brunnen verschwinden und setzt damit ein Meer ungeahnter Ängste und Phantasien frei...


Buchbeginn

"Was hast du mir gebracht, Hester? Was hast du mir aus dem Laden mitgebracht?"

"Ich hab' Katherine gebracht, Vater", antwortete Miss Harper. "Ich hab' Katherine gebracht, aber sie ist für mich."


Zitate

"Was Hester an Katherine so besonders schätzte, war die Art, wie sie mit beiden Händen nach dem Leben griff. Sie wollte das Leben genau so, wie sie es in Filmen sah, sie wollte das Abenteuer, und Hester wurde in diesen Sog mit hineingezogen. Diese Lebensgier nahm verschiedene Formen an, darunter auch die, alles haben zu wollen, was für Geld zu haben war. Überall in Magazinen, vor allem aber im Kino, erfuhr Katherine aus der Werbung, daß sie nur dies oder jenes brauchte, um vollkommen glücklich zu sein. Auch Hester ließ der gesunde Menschenverstand dann oft im Stich, und sie ließ sich einfach mitreißen."