26.4.20

Clara Nordström

Clara Nordström (Geburts- und Künstlername von Clara Elisabeth von Vegesack), eine in Schweden geborene, doch hauptsächlich in Deutschland tätige Schriftstellerin und Übersetzerin, finde ich in keinem meiner Lexika.

Sie wurde am 18. Januar 1886 in Karlskrona, Schweden, geboren. Bis zu ihrem zwölften Lebensjahr war sie aus gesundheitlichen Gründen ans Bett gefesselt. Es folgte der Besuch verschiedener Privatschulen in Växjö. Mit siebzehn kam sie nach Hildesheim und Braunschweig; hier lernte sie die deutsche Sprache.

1905 heiratete sie den 15 Jahre älteren Armin Reiche, Oberlehrer an der Realschule in der Altstadt (Bremen). Sie zogen nach Bremen und bekamen 1906 den Sohn Gustav Adolf. Obwohl die Ehe glücklich verlief, folgte 1909 die Scheidung.

Nach einer kurzen Stippvisite zurück nach Växjö zog sie im gleichen Jahr nach Deutschland. Sie wollte in Berlin Fotografin werden, musste aber nach ihrer Ausbildung und Praktikum den Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. In München, wohin sie 1912 zog, um Schriftstellerin zu werden, lernte sie Siegfried von Vegesack kennen. Sie heirateten in Stockholm, zogen nach Berlin und bekamen die Tochter Isabel. Vegesack wurde krank, sodass die Familie 1917 auf einen Bauernhof bei Dingolfing und später nach Großwalding bei Deggendorf zog. Das Paar bekam noch zwei Kinder: Tochter Karin starb nach wenigen Tagen, Sohn Gotthard kam 1923 zur Welt und fiel 1944.

Clara Nordströms erster Roman "Tomtelilla" erschien 1923 in Deutschland und in Schweden, alle weiteren Werke nur auf Deutsch.

Das Ehepaar lebte sich auseinander, 1929 ließ sich Clara Nordström auf Wunsch ihres Mannes scheiden. Sie begann Lesungen in ganz Deutschland zu halten und baute 1938/39 ein Haus im Schwarzwald. Während des Zweiten Weltkriegs veröffentlichte sie von Deutschland aus Artikel im Den Svenske Folksocialisten, Organ der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei Sven Olov Lindholms. 1944 sollte sie in Königsberg im schwedischen Programm des deutschen Reichssenders Königsberg aus ihren Texten lesen, musste aber 1945 nach Hamburg fliehen.

Ihr Leben lang war sie immer wieder schwer erkrankt, und sie setzte sich sehr mit ihrem Glauben auseinander. Das spiegelt sich in ihren Figuren wieder. Sie wechselte die Konfession, zog 1950 wieder nach Stuttgart, wurde Oblatin des Hl. Benedikt in einer Klosterkirche und ließ sich 1952 schlussendlich am Ammersee nieder, um in Bayern Lesungen halten zu können.

Clara Nordström starb am 7. Februar 1962 in Mindelheim, wo sie auch begraben wurde.

19.4.20

Walter Kempowskis Haus Kreienhoop

„Wie eine Schädeldecke“ – Walter Kempowskis Haus Kreienhoop von Dirk Hempel und Frauke Reinke-Wöhl (Fotografin) ist das nächste Buch in meinem Kempowski-Projekt. Von Dirk Hempel habe ich schon die wundervolle Biografie Walter Kempowski vorgestellt.

Im jetzigen Buch stellt er uns gemeinsam mit Frauke Reinke-Wöhl Haus Kreienhoop vor. Kempowskis literarisches Refugium. Das er schon begann zu planen, als er in Bautzen einsaß. Es wurde nach und nach errichtet und von seinen Einkünften als Schriftsteller finanziert. Laut Hempel hatte Kempowski Spaß daran, den beiden sein Haus und die Schränke zu öffnen, sich in Pose zu setzen.

Ich weiß nicht, ob er von den Landfrauen auch immer so erfreut war:

Nartum, 27. Juni 1991 Gegen Abend 30 Landfrauen, die unser Haus besichtigen wollten. Ich zog mich zurück und ließ es Frau Schönherr machen, die die Damen ja auch eingeladen hatte. Unter solchen Umständen muß ich arbeiten. Ein Wunder, daß ich überhaupt etwas zustande bringe. Ich blieb am Schreibtisch sitzen und war ebenfalls zur Besichtigung freigegeben. 

Aus: Somnia von Walter Kempowski

Ich habe schon so viel andeutungsweise von Kreihenhoop gehört, dass ich richtig gespannt war auf dieses Buch.

Die Fotografin Frauke Reinke-Wöhl fühlte sich willkommen bei den Kempowskis. Bei den frühnachmittäglichen Teestunden wurde geplaudert oder man plante die Arbeit. Wenn Walter Kempowski Lust hatte, bot er selbst an, sich fotografieren zu lassen: So, jetzt machen wir mal ein paar richtige Dichter- und Denkerbilder, wie sich das gehört natürlich in Schwarz-Weiß. Eine sehr schöne Fotoserie mit dramatischen Helldunkel-Kontrasten entstand auf diese Weise. Sie durfte ihm einfach folgen und beim Lesen, Signieren, im Turm oder am Flügel fotografieren.

Kempowski lebte nicht nur im Haus Kreienhoop bei Nartum. Das Haus selbst ist zur Literatur geworden durch die Schilderung im Roman +Hundstage, ja auch in den Tagebüchern Sirius, Alkor, Hamit  und Somnia. Auch heute noch finden hier Hausführungen, Tagungen, Konzerte und Lesungen statt.

Schon wenige Tage nach Bautzen begann er mit der Arbeit an den Romanen, die sich dann zur neunteiligen Deutschen Chronik entwickelten. Er sammelte auch schon Tagebücher, Briefe und Fotos, die zur Grundlage für sein Echolot wurden. In dem berühmten, zweiundzwanzig Meter langen Büchergang stehen 10.000 Bücher plus einer Videosammlung historischer Spielfilme. So wie das schriftstellerische Werk wuchs, so wuchs auch das Haus: 700 Quadratmeter Wohn- und Arbeitsfläche, das Grundstück wuchs durch Landkäufe auf mehr als 3000 Quadratmeter heran. Das Haus ist erst einmal ein Ort für literarische Requisiten. Hier finden sich viele Dinge, die in seinen Romanen eine Rolle spielten.

Von 1983 bis 1986 gab es hier Schriftstellertreffen, die Veranstaltung Literatur in Kreienhoop wurde geboren. Die Lyrikerin Barbara Honigmann erinnert sich:

Es begannen also die drei Arbeitstage, mancher würde vielleicht sagen, daß es anstrengend gewesen sei, aber ich habe mich irgendwo die ganze Zeit verwöhnt gefühlt, wie die Stunden da hinflossen mit Vorlesen und Lesen und Reden und Diskutieren und Essen und Sitzen und Quatschen und hinterher ganz spät am Abend noch durchs Dorf gehen. Alles war vorbereitet, keine Hausarbeit, kein Einkaufen, Kochen, Waschen, Bügeln usw. noch nebenbei. Beinahe wie Ferien, drei Tage nur unter Lese- und Schriftmenschen. 

Am 16. Juni 1997 fand hier das Projekt Bloomsday ’97 statt:



Neunzehn Stunden lang wurde durch 37 Kanäle gezappt, jeweils 10-20 Sekunden Aufenthalt bei jedem Kanal. Der Videorekorder zeichnete alles auf. Ein griechisches Restaurant lieferte das Essen und im Nachbardorf hielt sich für alle Fälle der Hausarzt bereit. Im Dezember 1997 erschien in der FAZ dazu eine Rezension.

Auch Volkshochschulkurse gab es hier. Zum Schluss kam immer das Archiv dran: Sie denken schon, das war’s, und dann kommt es ,dicke‘. Zum Abschied gab es dann auch immer die Aufforderung, ihm Tagebücher und Briefe zu besorgen.

Haus Kreienhoop ist nicht nur Literatur, nein, es beherbergt auch jede Menge Kunst: Gemälde, Skulpturen und vieles mehr.

2004, zum 75. Geburtstag Kempowskis, bedankte sich der damalige Bundespräsident Johannes Rau bei ihm:

Sie haben den Deutschen etwas geschenkt, was wohl kein anderes Volk hat: Ein lesbares Archiv seiner Hoffnungen und Irrtümer, seiner Sehnsüchte und seines Versagens. Dafür sage ich Ihnen heute ganz offiziell als Bundespräsident meinen Dank.

Das Vermächtnis von Walter Kempowski wird heute von der Stiftung Haus Kreienhoop fortgeführt.

So richtig mochte ich das Buch gar nicht zuklappen, mochte nicht Abschied nehmen von diesen wundervollen Bildern. Frauke Reinke-Wöhl hat beide – den Schriftsteller Walter Kempowski und sein Haus Kreienhoop – aufs Beste eingefangen.

15.4.20

Wie ich durch Robert Louis Stevenson die Kelly Family kennenlernte



Tja, wie die beiden wohl zusammenhängen.

Meine Leseerfahrungen kann ich aufteilen in "vor der Wende" (hier habe ich schon in meiner Schulzeit die Geschichte von David Balfour, Alan Breck und Catriona gelesen) und "Nach der Wende". Zu vielen Büchern habe ich damals gar keinen Zugriff gehabt. In der Hinsicht erlitt ich nach der Wende einen Kulturschock.
West-TV konnte ich dank einer riesigen Antenne auf dem Dach dagegen schon zu DDR-Zeiten schauen.

Manches Mal kann ich mich aber gar nicht mehr richtig dran erinnern, ob ich etwas noch vor der Wende oder erst danach gesehen habe. So geht es mir mit Robert Louis Stevensons Verfilmung Die Abenteuer des David Balfour. Und ich bin glücklich, denn ich konnte sie vor Kurzem auf DVD ergattern.
Aber von vorne.

Ich habe also diesen wunderbaren Vierteiler, der 1978 im Dezember im ZDF ausgestrahlt wurde, im TV gesehen. Und ich bin ganz ehrlich: Besonders gut hat diese Geschichte mir eigentlich wegen der tollen Filmmusik von Vladimir Cosma gefallen.



Als ich den Vierteiler sah, war an ein Aufnehmen auf Videokassette noch nicht zu denken. Und so langsam verblasste der Film und auch die Musik.
Und dann, eines Tages, denke ich, mich streift ein Bus: Nichts ahnend komme ich von der Arbeit. Steige aus der Straßenbahn und mache mich auf den Weg durch die Innenstadt nach Hause. Und auf einmal höre ich eine Musik, an die ich mich sofort erinnerte. David's Song, so heißt dieses wunderschöne Lied, schallte mir entgegen. Aber nicht nur die Musik, auch die Stimme eines Jungen hörte ich. Dieser Junge, ich weiß nicht mehr, welcher von den Kellys er war, ja noch nicht einmal, dass er Teil der Kellys war, stand mit einem alten Mann auf der Bühne.
Ich kam aber wohl zu spät. Die beiden brachen ihre Zelte ab, verwiesen aber noch auf einen Auftritt am Abend.
Das ließ ich mir dann nicht entgehen. Ich machte mich am Abend wieder auf in die Stadt und nun lernte ich die Kelly Family kennen.

12.4.20

Graham Norton: Eine irische Familiengeschichte

Dieses Buch fiel mir in meiner Buchhandlung auf dem Tisch mit den Neuerscheinungen ins Auge. Ich hoffe, dass sich die Lobeshymnen bewahrheiten, da ich Familiengeschichte und Geschichten, die in Irland spielen, recht gerne lese.
Der Name Graham Norton sagt mir gar nichts. Laut Klappentext soll er in der englischsprachigen Welt eine der bekanntesten Fernsehpersönlichkeiten sein, ist Schauspieler, Comedien und Talkmeister. Er wurde in Dublin geboren und wuchs in Südirland auf.

Elizabeth Keane (was für ein Name, habe ich doch nun laufend die Lizzy Keen von "Blacklist" vor mir) lebt mit ihrem Sohn in New York. Sie ist nach acht Jahren Ehe von ihrem Mann geschieden, da sie rausgefunden hat, dass er homosexuell ist. Ihre Mutter ist gestorben und so macht sie sich auf den Weg nach Buncarragh in Irland, um den Haushalt aufzulösen. Es herrscht noch immer die erstickende Enge von früher, und so wäre sie froh, wenn sie so schnell wie möglich wieder heimkehren könnte. Doch so fix geht das nicht.

Sie findet eine Handvoll Briefe. Wie sich rausstellt, sind die von ihrem Vater Edward, von dem sie nur weiß, dass er schon lange tot ist. Als sie sich mit dem Anwalt in Verbindung setzt, bat er sie vorbeizukommen. Wie sich rausstellt, hatte sich ein Schreiben aus den Unterlagen ihrer Mutter selbstständig gemacht. Kurz und gut: Elizabeth erbt noch ein Haus. Irgendwo draußen in der Walachei.

In Rückblenden erfahren wir, wie ihre Mutter Edward kennengelernt hat, nämlich durch eine Annonce. Doch bei ihrem zweiten Besuch, sie hat mittlerweile auch Edwards Mutter kennengelernt, erfährt sie, dass Edward gar nicht lesen und schreiben kann. Als sie am nächsten Morgen wach wird, weiß sie nicht, was am Abend vorher noch geschehen ist. Mit der Zeit wird ihr klar, dass sie von der Mutter durch den Tee unter Drogen gesetzt wurde und im Haus festgehalten wird. Als endlich jemand kommt, um nach ihr zu schauen, ist sie zu schwach, um um Hilfe zu rufen. Irgendwann bekommt sie Edward so weit, dass er ihr zur Flucht verhelfen will, doch sie läuft in die verkehrte Richtung und verfängt sich im Morast.
Noch etwas später bringt ihr die Mutter Post: Es sind Glückwünsche zur Hochzeit mit Edward, von der sie selbst nichts weiß.

Elizabeth will sich das Haus von Edward anschauen. Als sie in der Ortschaft ankommt, erfährt sie von einem Brian, den sie dort trifft, dass ihr Vater noch lebt. Er bringt sie zu einem Altenheim, doch er ist gar nicht mehr ansprechbar, obwohl er manchmal lichte Momente haben soll. In einer Schublade findet sie Fotos. Auf einem ist ein Hochzeitspaar zu sehen: Edward und eine Mary. Elizabeth kommt ins Grübeln...

So weit, so gut. Diese Geschichte hat mich dazu gebracht, wieder Lesetagebuch zu schreiben. Eine Geschichte, wie ich sie zur Entspannung liebe. Sie spielt in Irland, es geht um eine Familie und Geheimnisse, die gelüftet werden. Noch dazu spielt sie auf zwei Zeitebenen. Ich kann mich auch gar nicht entscheiden, welche Geschichte für mich spannender war: die von Elizabeth aus dem Heute, oder die ihrer Mutter von damals.

Auf jeden Fall war sie so kurzweilig, dass ich die 344 Seiten in drei Tagen durchgelesen habe, was für mich schon was heißt.

Sigrid Undset

Sigrid Undset als junges Mädchen
Sigrid Undset wurde als Tochter eines berühmten norwegischen Archäologen und einer dänischen Mutter am 20. Mai 1882 in Kalundborg (Dänemark) geboren. Ab 1884 verbrachte sie ihre Kinder- und Jugendzeit in Oslo. Sie besuchte die Handelsschule und wollte eigentlich Malerin werden. Doch nach dem frühen Tod ihres Vaters musste sie sich ihr Brot als Kontoristin verdienen und schrieb nachts ihre Romane. Die berichteten vom Leben der Frauen ihrer Zeit. 1909 erhielt Sigrid Undset ein Stipendium und verwandte es für eine Reise nach Berlin, Rom und Paris.

1912, mit 30 Jahren, als sie schon sehr erfolgreich war, heiratete sie den Maler Svarestadt. Sie bekam vier Kinder, die Familie lebte auf ihrem Gut Gudbrandstal bei Lillehammer. Sofort nach dem Ersten Weltkrieg trat sie der katholischen Kirche bei. Zu der Zeit erschien auch der dreibändige Roman „Kristin Lavranstochter“, der weltberühmt wurde. 1922 erhielt sie eine staatliche Dichterpension, drei Jahre später wurde ihre Ehe geschieden.



Sigrid Undset an ihrem ersten Arbeitstag in Bjerkebæk. Hier beendete sie die
Trilogie Kristin Lavransdatter in Jahren 1920 bis 1922.

1928 wurde ihr für „Kristin Lavranstochter“ der Nobelpreis für Literatur zugesprochen, die Geldsumme, die damit verbunden war, schenkte sie der Caritas.

Während des Zweiten Weltkriegs floh sie 1940 über Schweden, Russland und Japan nach Amerika. In dem Buch „Wieder in die Zukunft“ werden diese Erlebnisse verarbeitet. Erst 1945, als der Krieg zu Ende war, konnte sie in die Heimat, auf ihr norwegisches Gut, zurückkehren. Einer ihrer Söhne fiel in Norwegen als Widerstandskämpfer. Ihre Lebenskraft war gebrochen. Von den Menschen Deutschlands, wo sie die größten literarischen Erfolge hatte, war sie enttäuscht.

Kristin Lavranstochter

Vier Jahre später, am 10. Juni 1949, starb Sigrid Undset in Lillehammer.

Zitat 
"In der Liebe soll man nicht alles sagen; denn eine Gefühlsbindung braucht Unausgesprochenes, um das die Gefühle kreisen."

9.4.20

Ricarda Huch


Ricarda Huch wurde am 18. Juli 1864 in Braunschweig geboren und starb am 17. November 1947 in Schönberg im Taunus, heute Stadtteil von Kronberg; Pseudonym: Richard Hugo). Sie war eine deutsche Dichterin, Philosophin und Historikerin.

 Ricarda Huchs literarisches Werk ist äußerst umfangreich und von thematischer wie stilistischer Breite. So begann sie mit Gedichten, schrieb dann jedoch zunehmend Romane und vor allem historische Werke, die zwischen Geschichtswissenschaft und Literatur angesiedelt sind.

Ricarda Huch widmete sich seit den 1910er Jahren der italienischen, deutschen und russischen Geschichte. Ihre historischen Romane sind meist psychologisch-biographisch. Unter anderem verfasste sie Biografien über Michail Bakunin und Federico Confalonieri. Ihre monumentale deutsche Geschichte entstand zwischen 1934 und 1947 und umfasst sowohl das Mittelalter als auch die Frühe Neuzeit.



Ines Geipel: Zensiert, verschwiegen, vergessen - Autorinnen in Ostdeutschland 1945 - 1989

Es ist der 3. Oktober 1947. Wir befinden uns bei Ricarda Huch in Jena, im Oberen Philosophenweg 72. Im Flur etliches Gepäck. Sie nimmt Abschied von der Stadt, in der sie seit dem 1. September 1933 lebte. Dieses Haus war ihr Wunschrefugium mit Garten. Es gab ihr Halt "in einer Zeit, die aus Hitler, Not, Bomben, Chaos bestand". Sie fühlte sich hier heimisch, traf sich wöchentlich mit Freunden, redete mit ihnen über Politik, Kochrezepte, Kunst und Liebhabereien. Unter ihnen befanden sich zum Beispiel die Juristen Heinrich Gerland und Hermann Schultze von Lasaulx, der Betriebswirtschaftler Ernst Pape, der Altphilologe Friedrich Zucker, Rektor der Universität, der Soziologe Franz Jerusalem und der Theologe Gerhard von Rad.
Tägliche Spaziergänge, regelmäßige Bibliothekszeiten, Anstehen auf dem Wochenmarkt, ihr Garten, die Nachmittage mit Enkel Alexander und das Schreiben in der "Baracke", dem einzigen beheizbaren Raum im Haus. Das war ihre Jenaer Zeit.
Ihr Schwiegersohn Franz Böhm unterrichtete an der juristischen Fakultät der Uni. Anfang 1938 wurden die beiden wegen Volksverhetzung angeklagt. Sie wurden zwar nicht verurteilt, jedoch durfte Böhm ab März '38 nicht mehr lehren und für Ricarda Huch gab es immer mehr Schwierigkeiten, ihre Werke zu publizieren.
Eigentlich wollte Ricarda Huch an ihrer Autobiografie arbeiten, doch drei Jahre dauerte das sogenannte "Heimtücke"-Verfahren ("ein 1934 erlassenes Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniform") an. Zudem war Krieg. Weihnachten 1943 schreibt sie: "Man hofft eben gar nichts mehr, fürchtet nur noch." Im Großen und Ganzen kam ihre Familie "mit grauen, blauen und braunen Augen" durch diese Zeit.

Am 18. Juli 1844 feierte sie noch ihren 80. Geburtstag in Jena. Und sie feierte nach dem Motto: "Es ist wie in Pestzeiten - am Rande des Abgrunds sind die Feste am lautesten." Ein Glückwunschtelegramm kam von Hitler; eine dicke Aufmachung vom "Völkischen Beobachter". Es gab eine offizielle Festschrift. Und sie bekam im Namen von Goebbels und der Heimatstadt Braunschweig den mit 30.000 Mark dotierten Wilhelm-Raabe-Preis. Schon 1933 hätten die neuen Machthaber sie gerne auf ihrer Seite gehabt. In ihrem Dankesschreiben vermied sie die Anrede "Mein Führer" und den Gruß "Heil Hitler". Das Geld nahm sie aus der Not heraus: "Ich empfinde es als einen Flecken auf der Ehre, den ich nicht auslöschen kann."
Als der Krieg zu Ende war, war sie seelisch und körperlich einfach nur erschöpft, sie wog keine 50 Kilo mehr. Aber sie hatte geschafft, was sie sich 1933 als Ziel setzte: Sie wollte Hitler überleben. Thüringen wurde nach Kriegsende in die Sowjetische Besatzungszone eingegliedert. Ihr Ruf als "Königin der inneren Emigration" war bei den sowjetischen Kulturoffizieren über jeden Zweifel erhaben. Die neue Macht wollte sie als politische Stimme des Aufbruchs. Und sie genoss fortan ihre fast kultische Verehrung und war in den verschiedensten Gremien tätig.

"Ich bin jetzt prominent, und das ist sehr zeitraubend. Ich bekomme fortwährend offizielle Besuche und offizielle Briefe, soll für die Studenten, oder für die Frauen, oder für die Wähler, oder für die Evakuierten ermunternde Aufrufe verfassen, tue es zwar nicht, muss aber erklären, warum ich es nicht tue."

Und doch tat sie es. "Für die Märtyrer der Freiheit" erschien am 25. Mai 1946 in den "Hessischen Nachrichten" Sie wollte Biografien schreiben, "Lebensbilder dieser für uns Gestorbenen aufzeichnen und in einem Gedenkbuch sammeln". Das brachte ihr Denunziationen bis hin zu Todesdrohungen, die sie aus Ost und West bekam. "'Sie wollen nun Mörder verherrlichen, Helden in den Schmutz ziehen, Mord ist Mord', schrieb man ihr."
Eineinhalb Jahre war sie gut dafür, vom kulturellen Neuanfang, demokratischem Aufbruch und dem einigen Deutschland zu plädieren. Doch spätestens ab Mitte 1946 drehte sich das Blatt. Sie wurde mehr und mehr zensiert, Ausreisegenehmigungen, die schon zugesagt wurden, wurden wieder zurückgenommen. Sie hörte von der Verschleppung unschuldiger junger Menschen und verglich die Zeit mit den vergangenen zwölf Jahren.
Eigentlich wollte sie nicht weg von Jena. Hier war ihr Publikum, ihre Freunde und Mitstreiter. Doch es ging für sie nicht anders. Es fügte sich, dass sie von Johannes R. Becher, damals Kulturbund-Chef, eine Einladung auf den Ersten Deutschen Schriftstellerkongress bekam. Der fand vom 4. bis 8. Oktober 1947 statt. Sie sollte für ihn die Ehrenpräsidentschaft übernehmen. Auf diesem Weg wollte sie dann in einem verplombten, englischen Militärzug in den Westen gelangen.

7.4.20

Claus Räfle: Die Unsichtbaren - Untertauchen, um zu überleben

Sechs Millionen jüdische Menschen kamen im Zweiten Weltkrieg um. Eine Zahl, die man sich kaum vorstellen mag. Vier Millionen Holocaust-Opfer hat das Forschungsinstitut Yad Vashem bis 2010 namentlich dokumentiert.

Wenn man diese Zahlen liest, kann man sich kaum vorstellen, dass es jüdische Menschen in Deutschland gab, die den Krieg überlebt haben.

In Die Unsichtbaren  von ClausRäfle lernen wir vier junge Menschen in Berlin kennen, die die Flucht nach vorne wagen. Doch es ist riskant. Nicht nur wegen der Nazischergen, vorsehen müssen sie sich auch vor der "führerblinden ,Volksgemeinscaft', die von ihrem Leid nichts wissen will, die Scheuklappen aufsetzt oder mit Freude kollaboriert".
Doch nicht alle Berliner waren so. Circa 1700 bis 2000 Juden haben das Unmögliche geschafft - und das konnten sie nur mit der Hilfe von Menschen, die sich ihre Menschlichkeit bewahren wollten.

Dieses Buch entstand nach dem Film "Die Untergetauchten - wir wollen Leben". Die Texte beruhen auf Interviews, die die Drehbuchautoren Claus Räfle und Alejandra López mit vier überlebenden Juden führten: Ruth Gumpel (damals 20 Jahre jung), Hanni Lévi (damals 17), Cioma Schönhaus (damals 20) und Eugen Herman-Friede (damals 16). Diese wurden durch Berichte weiterer Überlebender ergänzt, die nicht mit ins Drehbuch einfließen konnten.

In den ersten beiden Kriegsjahren sollte die jüdische Bevölkerung durch Entrechtung und Ausgrenzung dazu getrieben werden, zu emigrieren. Doch seit 1941 plante der NS-Staat die Vernichtung aller Juden, die sich im europäischen Herrschaftsgebiet aufhielten...

Hannis Eltern leben nicht mehr, ihre Großmutter wurde in den Osten deportiert. Bekannte ihrer Mutter nahmen sie auf. Sie lebten in einem sogenannten "Judenhaus". Ihre eigenen gutbürgerlichen Wohnungen mussten die Juden für mittlere NS-Würdenträger verlassen. Zwei oder drei Familien mussten sich in diesen Häusern eine 60-Quadratmeter-Wohnung teilen. Bestimmte Lebensmittel - Milch, Eier, Fleisch, Fett, Kaffee, Schokolade - durften sie nicht mehr kaufen. Sie mussten ihre aus Pelz und Wolle bestehende Winterkleidung abgeben. Es gibt keine Kohlen mehr und draußen herrschen Minus fünfzehn Grad, in den Wohnungen sieben Grad.
Als man ihnen alles genommen hatte, dachten sie: Schlimmer kann es nicht kommen.

Cioma lebte mit der Familie in der Sophinstraße, als sie erfuhren, dass sie sich zum Transport melden sollten. Der Vater war schon zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, weil er der Familie Butter besorgt hatte.

Beim Lesen zieht sich mir wieder alles zusammen. Wie perfide dieses System war. Den Juden wurde nicht nur alles weggenommen - Sparguthaben, Lebensversicherungen, Schmuck, Wertpapiere. Sie wurden auch noch "gezwungen, der Übereignung ihres noch verbliebenen Besitzes an den Staat zuzustimmen und auf noch offene Lohnzahlungen zu verzichten. Sie mussten die Abmeldung aus ihrer bisherigen Wohnung bestätigen, ihren Gas- und Stromanschluss abmelden". So wollte man ihnen vorgaukeln, dass alles Recht und Ordnung sei.

Nach einem herzzerreißenden Abschied von den Eltern entschloss sich Cioma, der wegen seiner kriegswichtigen Arbeit nicht mit musste, unterzutauchen.

Eugen Herman-Friede hatte noch einen gewissen Schutz. Seine Mutter war mit einem Arier verheiratet. Er war so in der Familie der einzige, der den verhassten Stern tragen musste. Doch mit seinen sechzehn Jahren interessierte er sich vor allem für Mädchen.
Allerdings ist sein leiblicher Vater Jude und so wusste Eugen, dass es ihn mit wenigstens 21 Jahren auch treffen würde.
Im Sommer 1942 wurden alle jüdischen Schulen geschlossen, so war klar, dass das Naziregime eine Zukunft ohne jüdische Kinder plant. Eugen musste Zwangsarbeit auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee verrichten. Das war nicht so schwer. Viel deprimierender war der Weg, den er täglich mit seinem Stern durch Berlin gehen musste. Wege bis sieben Kilometer mussten Juden zu Fuß gehen. Erst ab da durften sie öffentliche Verkehrsmittel nutzen.
Eines Abends an der Straßenbahnhaltestelle trat ein Mann in Ledermantel und Schlapphut auf Eugen zu, riss ihm den Stern herunter und sagte, er sei nicht vorschriftsmäßig angebracht. Er notierte sich Namen und Adresse von Eugen, womit sein Schicksal besiegelt schien. Die Eltern überlegten nun, wie sie Eugen retten können. Der Stiefvater hörte sich bei Freunden und Bekannten um, ob jemand bereit wäre, Eugen aufzunehmen.

Ruth Arndt Gumpel vertraute auf ein Netzwerk von Helfern. Oft musste sie die Nacht auf der Straße verbringen. Um keinen Verdacht zu erregen, suchte sie die ihr genannte Wohnung erst auf, wenn die Nachbarn zur Arbeit waren. Das war angenehmer, als den ganzen Tag auf der Straße zu sein und so zu tun, als wäre man geschäftig unterwegs, während man in Wirklichkeit nicht wusste, wohin mit sich.
Für die jungen Männer war das noch gefährlicher. All diejenigen, die nicht uniformiert unterwegs waren, mussten Gefahr laufen, kontrolliert zu werden.

Dr. Joseph Goebbels' Gedanken zur Massenverhaftung am 27. Februar - erhalten in seinem Tagebuch (11. März 1943): "Im Ganzen sind wir 4000 Juden dabei nicht habhaft geworden. Sie treiben sich jetzt wohnungs- und anmeldungslos in Berlin herum und bilden natürlich für die Öffentlichkeit eine große Gefahr."

Wie "gefährlich" die Juden waren, bekamen schon die Kleinen in ihren Büchern zu lesen. Hier ein Auszug aus dem antisemitischen Kinderbuch "Der Giftpilz" von Ernst Hiemer (Schriftsteller, Lehrer und während der Zeit des Nationalsozialismus Vertrauensmann der Reichspressekammer beim Landeskulturverwalter des Gaues Schwaben):

"Schau, Franz, vor den schlechten Menschen muß man sich in Acht nehmen wie vor Giftpilzen. Und weißt Du, wer diese schlechten Menschen, diese Giftpilze der Menschheit sind?" fragt die Mutter.
Franz wirft sich stolz in die Brust "Jawohl, Mutter! Das weiß ich. Es sind die Juden. Unser Lehrer hat uns das schon oft in der Schule gesagt." Lachend klopft die Mutter ihrem Franz auf die Schulter. "Donnerwetter, du bist ja ein ganz gescheiter Junge!" und dann wird sie ernst "Wie ein einziger Giftpilz eine ganze Familie töten kann, so kann ein einziger Jude ein ganzes Dorf, eine ganze Stadt, ja sogar ein ganzes Volk vernichten." - Franz hat die Mutter verstanden."

Ich bin noch ganz am Anfang des Buches und werde es nun für mich zu Ende lesen. Die vier Hauptpersonen habe ich euch vorgestellt. In der Folge lernen wir noch die Helfer kennen und erfahren, welches Risiko sie eingingen, wie die Gestapo ihre Jagd auf die Untergetauchten organisierte und wie sich Juden und Nichtjuden zur Wehr setzten.

2000 Berliner Juden haben überlebt und erfahren, was aus ihren deportierten Leidensgenossen wurde.

Nachtrag: In diesem Buch erfahre ich von einem "sensiblen" Thema, von dem ich bisher noch nichts wusste. Unter den Untergetauchten gab es gut 30 Juden, die Jagd auf die eigenen Leute machten. Sie waren vorab von den Nazis erwischt und unter Druck gesetzt worden. Zuerst bot man ihnen an, sie "nur" nach Theresienstadt zu deportieren, das nicht im Ruf stand, ein Vernichtungslager zu sein. Doch es sprach sich herum, dass man sie täuschte und sie trotzdem auf den Listen der Auschwitz-Transporte landeten. Dann bot man ihnen an, sie selbst und einige Angehörige unbehelligt zu lassen. Die meisten lehnten ab, doch es blieben gut 30 übrig, die darauf eingingen.
Doch auch vielen von ihnen brachte es nichts Gutes. Ein Drittel von ihnen wurde nach Auschwitz deportiert. Unterwegs sprach sich schnell herum, wer sie waren, sodass sie von ihren Mitgefangenen schon in den Zügen übel zugerichtet wurden. In ihren Papieren stand "Rückkehr unerwünscht".

5.4.20

Petra Hartlieb: Meine wundervolle Buchhandlung

"Du musst sofort kommen. Wir haben die Buchhandlung gekauft. Scheiße, wir haben eine Buchhandlung gekauft!"

Für diesen Satz liebe ich Petra Hartlieb. Da hat die Familie Hartlieb - Frau, Mann und zwei Kinder -, zufrieden in Hamburg lebend, mal eben so eine Buchhandlung in Wien gekauft. Man hat ja einen Ex, der einem einen zinslosen Kredit gewährt und man hat Freunde in Wien, die einem ein Dach überm Kopf bieten, bis die Wohnung bezugsbereit ist. Was soll's also: Kaufen wir eine Buchhandlung.

Es ist die zweite Oktoberwoche, am 4. November soll in Wien Eröffnung sein. Es muss gekündigt werden, ein Kindergartenplatz gesucht werden, umgezogen werden und ein Buchladen muss neu renoviert und bestückt werden. Und dann muss der Mann nach der Neueröffnung wieder nach Hamburg zurück, seine halbjährige Kündigungsfrist einhalten. So steigt er ins Auto und lässt mich "als frischgebackene alleinerziehende Unternehmerin ohne eigene Wohnung zurück. Mich, die ich nie mehr alleinerziehend sein wollte. Auch nie Unternehmerin. Und Buchhändlerin bin ich ja auch nicht. Wie gut, dass ich keine Zeit habe, darüber nachzudenken, wie sehr ich mich überfordert fühle".

Ich denke einfach mal, dass das ganze Projekt erfolgreich war, ansonsten hätte Petra Hartlieb das Buch sicher nicht mit so einer Prise Humor geschrieben, dass ich schon nach den ersten 20 Seiten gegrinst und gelacht habe.

Die wiedereröffnete Buchhandlung schlägt voll ein. Die Wohnung darüber wird fertig und man richtet sich ein. Aber diese Nähe zum Job - Wohnung und Buchhandlung sind durch eine Treppe verbunden - bedeutet auch, dass man kaum Feierabend machen kann. Das schafft man auf Dauer wohl nur mit Leidenschaft - oder ist es verrückt?

"Denn ganz normal ist es wohl nicht, wenn man nach einem Zehnstundentag, an dem man gefühlte zweihundert Bücher aller Genres nacherzählt hat, am Küchentisch sitzt, völlig begeistert die Vorschaupakete von Rowohlt und Hanser aufreißt und sich über einen neuen Auster oder T.C. Boyle freut, als hätte man noch kein einziges Buch auf dem Nachttisch liegen."

Oh, wie gut kann ich sie verstehen. Geht es mir doch genauso - vielleicht nicht gerade mit Neuerscheinungen, ich stöbere ja lieber nach Büchern, die schon ein paar Jährchen auf dem Buckel haben. - Es ist wirklich eine Sucht.

Auf lockere Art und mit leichtem Humor versehen, erfahren wir, wie das Buchhändler-Leben so funktioniert. Wie viel Arbeit dahinter steckt, aber auch die Freude, seinen Traum zu leben, sei es auch noch so anstrengend. Petra Hartlieb betont aber auch immer wieder, dass sie es ohne die viele Hilfe von Freunden und Bekannten ganz sicher nicht geschafft hätten.

Und als ob es nicht reicht, eine Buchhandlung zu führen, schreibt Petra Hartlieb so ganz nebenbei noch ein Buch. Zwar in Kooperation mit einem deutschen Literaturkritiker, aber immerhin. Und das wird dann auch noch im Diogenes-Verlag verlegt. Und bei nur einem Buch bleibt es nicht.

Und es bleibt auch nicht bei nur dieser einen Buchhandlung. Aber das müsst ihr selbst lesen. Mir dreht sich da langsam der Kopf.

Ich frage mich, wo die Frau die Energie hernimmt. Aber eines weiß ich: Würde ich in Wien leben, wäre ich Stammkundin bei ihr. So bleibt mir aber nur, mir noch ein Buch von ihr zu kaufen und zu lesen, wie es Weihnachten in der Buchhandlung der Hartliebs zugeht. Darauf freue ich mich schon.

4.4.20

Maya Angelou


"Wenn du immer versuchst normal zu sein, 
wirst du niemals erfahren, wie besonders du sein kannst."

Maya Angelou wurde am 4. April 1928 in St. Louis, Missouri, als Margueritte Johnson geboren. 1931 trennen sich die Eltern (die Mutter besaß mehrere Hotels und Bars), Maya und ihr älterer Bruder Bailey leben jetzt in Stamps, Arkansas, bei der Großmuter väterlicherseits.
1935 kehrte sie zur Mutter nach San Francisco zurück, wo sie, noch keine acht Jahre alt, von deren Freund vergewaltigt wurde; der wurde kurz danach zu Tode geprügelt. Maya kam wieder für fünf Jahre zur Großmutter zurück und verstummte buchstäblich, da sie sich dafür verantwortlich fühlte. Erst mit 13 soll sie wieder gesprochen haben. Seit 1981 Reynolds-Professur für Amerikanistik an der Wake Forest University in Winston-Salem.
1992 ließ sich der zum Präsidenten gewählte Gouverneur von Arkansas, Bill Clinton, von ihr ein Gedicht zu seiner Amtseinführung schreiben und vortragen. Sie wird 1996 amerik. Sonderbotschafterin des Kinderhilfswerks UNICEF, war mehrmals verheiratet und hat einen Sohn Guy Johnson und einen Enkel Colin.

Am 28. Mai 2014 starb Maya Angelou in Winston-Salem, North Carolina

Salonkultur

Der literarische Salon von Madame Geoffrin (1755)

Um 1800 entwickelte sich die Salonkultur. Gebildete Frauen (z. B. Rahel Varnhagen, Dorothea Schlegel und Henriette Herz) suchten ihren Platz in der männlich dominierten Adelsgesellschaft. So gründeten sie die ersten Salons.
Geschlecht oder Klasse spielten keine Rolle, es wurde nur offen diskutiert.
Die Salonnièren waren meistens unter anderen begabte Schriftstellerinnen, die in dieser Zeit keine Chance hatten, ihre Talente auszuleben.
Die Damen brachten in ihren Salons Gelehrte und Künstler, Schriftsteller und Politiker ins Gespräch, um den Anwesenden einen Austausch zu bieten, der den Wissensstand maximieren und den Horizont weiten sollte. Rahel Varnhagen nannte ihren Salon "Eine Republik des freien Geistes".
Die Berliner Salons erlebten in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Renaissance. Mehr als 30 Salons entstanden, manche verschwanden wieder, andere etablierten sich. Und wieder waren es Frauen, die einer kleinen Öffentlichkeit privaten Raum zum Austausch bieten.

Über einige interessante Salondamen hat Ulrike Müller in ihrem Buch Salonfrauen - Leidenschaft, Mut, geistige Freiheit berichtet.

Bettina von Arnim

Bettina von Arnim um 1809, in einer Radierung von Ludwig Emil Grimm

Bettina Catharina Elisabeth Ludovica Magdalene von Arnim wurde am 4. April 1785 in Frankfurt/Main als Tochter (7. Kind) der Maximiliane La Roche und des Großkaufmanns Peter Anton Brentano geboren. Ihre Großmutter war die Dichterin Sophie La Roche (die Verfasserin des ersten deutschen Frauenromans). In einem Ursulinenkloster in Fritzlar wurde sie bis zum 13. Lebensjahr erzogen. Nach dem Tod der Eltern wechselte ihr Aufenthalt zwischen den Geschwistern und der Großmutter La Roche, in deren Haus sie französische Emigranten, Künstler, Gelehrte und deutsche Jakobiner traf und vielfältige Anregungen erhielt. Bei ihrer Schwester Gunda Savigny in Marburg befreundete sie sich mit Karoline von Günderrode. Zu deren Andenken schrieb sie den Briefroman Die Günderode. Mit Goethe stand sie in Briefwechsel, 1807 lernte sie ihn persönlich kennen und lieben. Auf Dauer wurde ihre hemmungslose Zuneigung unerträglich. Als es einen peinlichen Zusammenstoß zwischen Bettina und seiner Frau Christiane Vulpius kam, nutzte er die Gelegenheit, ihr sein Haus zu verbieten.



1811 heiratete sie Achim von Arnim, sie bekamen sieben Kinder. Nachdem sie seit der Hochzeit abwechselnd auf Gut Wiepersdorf in der Mark Brandenburg und in Berlin lebte, hielt sie sich nach Arnims Tod im Jahre 1831 fast ausschließlich in Berlin auf.

Eine rege Tätigkeit als Schriftstellerin begann. Sie hatte Verbindung zu vielen bedeutenden Zeitgenossen, trat offen für die Demokratie und für die Rechte der Frauen ein.

Bettina von Arnims erste literarische Werke sind Briefbücher, deren Grundlagen die Briefwechsel mit der Freundin Günderrode, mit Goethe, dem Bruder Clemens und später, als ältere Frau, mit dem jungen Ph. Nathusius waren. Goethes Briefwechsel mit einem Kinde erregte großes Aufsehen, weil man das Werk als echte Wiedergabe einer wirklich geführten Korrespondenz hielt. Es wurde aber später erkannt, dass es sich um ein Fantasieerzeugnis handelt, für das authentische Briefe als Grundlage dienten.

In den Vormärzjahren engagiert sie sich sehr stark sozial und politisch. In einem öffentlichen Aufruf bat sie 1844 um Material für ihr Armenbuch, das erst 1969 veröffentlicht wurde. Da sie über die politische Entwicklung in Preußen enttäuscht war und wegen der Bespitzelung durch die Geheimpolizei und weil man ihre Arbeit durch Zensur behinderte, zog sie sich zurück.

Bettina von Arnim starb am 20. Januar 1859 in Berlin.