28.7.20

Maria Gustaava Jotuni



Maria Gustaava Jotuni wurde am 9. April 1880 in Kuopio (eine kleine Stadt in Ostfinnland) geboren. Sie war eine große finnische Schriftstellerin und Dramatikerin.

Ihr Vater war Schmied und Alkoholiker. Obwohl die Familie arm war, ermöglichte sie es den sechs Kindern (Maria war die zweitälteste), höhere Schulen zu besuchen. Maria Jotuni studierte an der Universität von Helsinki Geschichte, vergleichende Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte. Während des Studiums lernte sie Autoren kennen wie Strindberg, Ibsen, Hamsun, Altenberg und Tschechov.

Sie war ihrer Zeit immer voraus. Ihr Werk wurde anerkannt und gleichzeitig kritisiert. Sie engagierte sich sozial, schreckte nicht davor zurück, gesellschaftliche Tabu-Themen anzusprechen. Das machte sie in der etablierten finnischen Gesellschaft nicht gerade beliebt. Viljo Tarkiainen jedoch, Professor für finnische Literatur an der Universität Helsinki und ihr späterer Ehemann, war unter vielen anderen einer der großen Verteidiger des dramatischen Werkes von Maria Jotuni.

Maria Gustaava Jotuni starb am 30. September 1943 in Helsinki.

25.7.20

Antje Southern: Himmlische Frauen - Fromm und rebellisch - schön und sündhaft

Frauen und Männer waren gleichermaßen von heiligen Frauen fasziniert, ja Künstler verliebten sich sogar in ihre Modelle. Es konnte sogar richtig kurios werden: Die heilige Martina, eine römische jungfräuliche Märtyrerin des 3. Jahrhunderts, war die platonische Liebe des italienischen Barockkünstlers Pietro da Cortona, der er symbolisch ein Bankkonto einrichtete, das heute noch besteht. Er hinterließ ihr sein gesamtes Vermögen, das für wohltätige Zwecke ausgegeben wurde.

"Frauen sind Begierde, und Männer sind Geist, Frauen sind impulsiv, und Männer sind rational", formulierte es Aristoteles vor über 2000 Jahren und das lebt heute noch in vielen (männlichen) Köpfen weiter. Er ging sogar so weit zu behaupten, dass die Frauen minderwertig seien und sie deshalb den Männern unterlegen seien. Und das wurde an mittelalterlichen Universitäten gelehrt.

Aber die katholische Kirche hatte erkannt, dass sich religiöse Geschichten mit schönen und glamourösen Frauen besser verkauften, als mit einem ausgezehrten Eremit mit langem Bart.

Heilige trugen eine große Verantwortung, da sie als Vermittler zwischen Himmel und Erde galten. Sie sollten Länder, Städte, ja ganze Berufsgruppen schützen. Und da Heiligenbilder für den katholischen Glauben eine entscheidende Rolle spielten, wurde auf dem zweiten Konzil von Nicäa im Jahr 781 verfügt: "Die dem Bild bezeugte Ehre geht auf das Original über, und wer ein Bild anbetet, betet die dargestellte Person an."

Viele der Heiligen hat es wahrscheinlich nie gegeben - zumindest sind ihre Biografien nicht gesichert. Papst Paul VI. hat - da historische Belege fehlten - im Jahr 1969 die nach ihnen benannten Feiertage gestrichen. Nur die populäre Katharina von Alexandria musste er 2004 aufgrund des Druckes der Öffentlichkeit wieder in den Heiligenkalender aufnehmen.

Nach der Erfindung des Buchdrucks erschien von Jacobus de Voragine "Legenda Aurea" - eine Sammlung der beliebtesten männlichen und weiblichen Heiligen - und wurde ein Bestseller.

22.7.20

Heinz G. Konsalik: Die Tochter des Teufels

Ich hätte niemals gedacht, dass mich ein Konsalik noch mal so gefangennimmt.
Die Witwe Helena Feodorowna Woronzowa begegnet Rasputin und verliebt sich in ihn. Nach einer gemeinsamen Nacht verlässt Rasputin sie und Helena bringt neun Monate später ein Mädchen zur Welt: Nadja, die Tochter des Teufels.

Am 30. Juli 1904 wird der Zarewitsch geboren. Nach einer Verletzung, die nicht aufhört zu bluten, stellen die Ärzte fest, dass er ein Bluter ist. Doch helfen können sie ihm nicht. Nachdem alle Ärzte und Quacksalber konsultiert wurden, blieb Rasputin die letzte Chance. Und tatsächlich, er konnte dem Jungen helfen und ihn heilen.

"Der mächtigste Mann im größten Land der Erde hieß ab heute nicht mehr Nikolaus II., sondern Rasputin."

Helena wartete über ein Jahr auf eine Nachricht aus Petersburg. Doch nichts, weder von Rasputin noch von ihrer Tochter erhielt sie ein Lebenszeichen. So wollte sie sich auf den Weg machen, doch eine Lungenentzündung streckte sie nieder. Bis diese auskuriert und Helena wieder bei Kräften war, rollte aus der Taiga der Wintersturm heran. 30 Grad Frost, die Straßen sind dicht. Doch Helena will mit dem Schlitten übers Eis.
Das ist ihr Todesurteil, denn die hungrigen Wölfe sind mutig geworden. Sie greifen den Schlitten an und niemand überlebt.

Konsalik hat diese Szene eindrucksvoll, doch glücklicherweise recht kurz beschrieben.

1912 lernt Nadja den Offizier Nikolai Gurjew kennen. Er rettet sie vor zwei aufdringlichen Halunken und sie verlieben sich auf den ersten Blick ineinander.
Rasputin ist mit dieser Wahl seiner Tochter überhaupt nicht einverstanden. Ein Offizier, dessen Beruf es ist, in den Krieg zu ziehen und zu töten.
Zwei Jahre später findet zwischen Rasputin und Gurjew ein Treffen statt, wo der Vater erfährt, dass Gurjew bei der Zarin um Nadjas Hand anhalten will.

Wow, was für eine Geschichte. Was für eine Kraft hatte diese Frau, nach jedem Schicksalsschlag wieder aufzustehen und weiterzumachen.
Egal, was viele über Konsalik denken, mir hat diese Geschichte unheimlich gefallen. Sie war spannend und unterhaltsam erzählt. Zeitweise mochte ich das Buch nicht aus der Hand legen, so tief war ich versunken.

18.7.20

Mietek Pemper: Der rettende Weg - Schindlers Liste - Die wahre Geschichte

"Im Gedenken an die Millionen Opfer des Holocaust und zu Ehren von Oskar Schindler, dem mutigen Retter, dem mehr als eintausend Juden ihr Überleben verdanken."

Erinnert ihr euch an den Film Schindlers Liste? Für Steven Spielbergs Film von 1993 hat Mietek Pemper seine Lebensgeschichte aufgearbeitet. Erst danach konnte er sich überwinden, bei Vorträgen und in Schulklassen über sein Schicksal zu erzählen.
Pempers und Itzhak Sterns (Oskar Schindlers jüdischer Buchhalter) Tätigkeiten hat Spielberg aus dramaturgischen Gründen in der Figur des Schindler-Buchhalters (gespielt von Ben Kingsley) zusammengefasst, sodass Pempers Anteil weniger bekannt wurde.
Mietek Pempers Buch wurde dann 2005 veröffentlicht.

Während des Studiums 1938 an der Jagiellonen-Universität spürte Mietek Pemper das erste Mal, dass man ihn als Jude in seinem Heimatland Polen wohl nicht wirklich wollte.
Krakau wurde 1939 von den Nazis zur "urdeutschen" Stadt deklariert und deshalb kaum bombardiert. Ganz anders Warschau, das auf Hitlers Befehl dem Erdboden gleichgemacht werden sollte.
In der Hauptstadt des Generalgouvernements stieg der Wohnungsbedarf, und so sollten die Juden aus der Stadt vertrieben werden. Zuvor wurde aber Ende Oktober 1938 in Deutschland schon eine sogenannte Polenaktion durchgeführt. Tausende Juden, die vormals aus Polen stammten, sollten dorthin zurück. Da spielte es auch keine Rolle, dass viele von ihnen in Deutschland geboren wurden und nur die Eltern oder Großeltern aus Polen kamen.

Der vierzehnjährige Chaim Yechieli schrieb:

"Die SS hat uns über die Grenze ins Niemandsland getrieben, hat mit Stöcken geschlagen. Wir standen sechs Stunden zwischen den beiden Grenzen. Es gab einen Sprühregen. Und die Deutschen standen mit gezückten Revolvern auf der einen Seite und die polnischen Soldaten mit Bajonetten auf dem Gewehr auf der anderen."

Diese Situation muss man sich mal vorstellen. Diese Menschen stehen da, mussten alles zurücklassen und niemand will sie aufnehmen. Polen hat sie dann doch aufgenommen, sie wurden unter erbärmlichen Bedingungen in einer mittleren Grenzstadt untergebracht. Erst einen Monat später durften sie weiter ins Landesinnere, von wo aus sie dann versuchten, nach Amerika oder in andere Länder auszureisen. Wer es nicht rechtzeitig schaffte, fiel knapp ein Jahr später der SS in die Hände.

Ich selbst kenne Auschwitz nur als Ort des Schreckens. Für Mietek Pemper war Auschwitz bis dahin eine ganz gewöhnliche Stadt, die zum Schreckensort wurde. Etwa eine Million Juden und einhunderttausend Polen wurden hier umgebracht - nicht mitgerechnet die vielen Opfer aus anderen Ländern und ethnischen Gruppen.
Mit der Einrichtung eines Ghettos für die jüdische Bevölkerung verschärfte sich deren Situation noch mal. Jüdische Männer mussten 1941 die Mauer um ihr Ghetto errichten.

Im Vernichtungslager Belzec wurden innerhalb von acht Monaten ungefähr 600.000 Juden vergast. Bauern aus der Umgebung berichteten vom Geruch verbrannten Fleisches. Und das war erst der Anfang.

Dank seiner Tätigkeit als Behördenkorrespondent wusste Mietek Pemper Bescheid über die Aufgabenfelder der Zivilverwaltung. Diese verlor zu Beginn 1942 die Verantwortung der "Judenangelegenheiten" an die deutsche Sicherheitspolizei (besser bekannt als Gestapo).

Später fragten ja viele, warum sich die Juden nicht gewehrt hätten. Mietek Pemper war der Überzeugung, dass das nichts genutzt hätte. Was hätten die paar bewaffneten Widerstandskämpfer, die es gab, auch gegen die deutsche Macht ausrichten können? Nein, Pemper war eher der Meinung, dass man so viele Menschen wie möglich vor dem Tode retten musste.

Die meisten Menschen im Ghetto glaubten ja, dass das ihre Endstation wäre. Doch Mietek erfuhr durch seine Arbeit, "daß es im Generalgouvernement bald kaum mehr Juden geben werde, allenfalls nur noch wenige, ,kaserniert in Zwangsarbeitslagern oder in Konzentrationslagern'.

Am 13./14. März 1943 wurde das Krakauer Ghetto aufgelöst. Nur etwa 8000 Menschen überlebten dieses Massaker und ihr Status hatte sich mit dem Verlassen des Ghettos grundlegend verschlechtert, als sie ins Lager Krakau-Plaszów kamen.

"Alles, was wir bisher an Grausamkeiten erlebt hatten, erfuhr noch einmal eine Steigerung. Es kam immer noch schlimmer. Ich wünsche niemandem, erleben zu müssen, was er unter Umständen aushalten kann."

Im Lager wurde Mietek Pemper zum persönlichen Stenografen von Amon Göth. Er sah seine Überlebenschancen als sehr gering an, da Göth für seine Grausamkeiten bekannt war. "Jeden Tag verbrachte ich mehrere Stunden mit Amon Göth. Jeden Tag mußte ich um mein Leben bangen. Die nervliche Zerrüttung, die das in mir anrichtete, läßt sich kaum beschreiben. Mir fehlt dazu das Vokabular." Über 540 Tage lang (vom 18. März 1943 bis zum 13. September 1944, seiner Verhaftung in Wien) musste Wietek Pemper das aushalten.
Anhand eines Schriftstücks erfuhr Mietek Pemper nun auch, dass sie nicht mehr als Ghettobewohner mit Außenstelle Jerozolimskastraße in Krakau galten, sondern Häftlinge eines Zwangsarbeitslagers und somit vollkommen rechtlos waren.

Bei Amon Göth musste man nicht nur Angst um sein eigenes Leben haben. Hatte er einen Häftling ermordet, wurden auch dessen Familienmitglieder umgebracht, weil Göth keine unzufriedenen Menschen im Lager haben wollte.

Die meisten Kriegsverbrecher wollten oder haben sich ja wohl damit herausgeredet, dass sie auf Befehl töteten. Schon auf den ersten achtzig Seiten dieses Buches erfährt man schon von zwei Personen, denen es anscheinend sogar Spaß gemacht hat, jüdische Menschen umzubringen. Und das aus den fadenscheinigsten oder auch gar keinen bestimmten Gründen.

Auf der Wannsee-Konferenz im Januar 1942 wurde die Ermordung sämtlicher Juden im Herrschaftsbereich beschlossen. Doch die fatale Entwicklung an der Ostfront bedeutete für das Deutsche Reich einen akuten Arbeitskräftemangel. Von November 1941 bis Januar 1942 starben in deutschen Lagern eine halbe Million russische Kriegsgefangene. Es wurde unverhohlen von "Vernichtung durch Arbeit" gesprochen. Fast alle Reparaturen an Uniformen und Stiefeln für die Soldaten der Ostfront wurden von jüdischen Zwangsarbeitern erledigt.

Und dann kam Oskar Schindler ins Spiel. Der eigentlich einen Textilbetrieb als Treuhänder übernehmen wollte. Zum Glück wurde aus diesen Plänen nichts, denn so ein Betrieb war nicht "siegentscheidend". So kaufte er einen metallverarbeitenden Betrieb, ohne den Schindlers Liste nicht möglich geworden wäre.

"In all den finsteren Jahren bin ich keinem zweiten Menschen begegnet, der wie Oskar Schindler über so lange Zeit so mutig und entschieden eine so große Rettungsaktion organisierte. Dabei war er keineswegs ein Heiliger, sondern sehr menschlich und oftmals leichtsinnig. Aber wir jüdischen Häftlinge konnten uns auf ihn verlassen. Er ließ uns niemals im Stich."

Beim Prozess im Herbst 1946 wurde Göth von einigen Zeugen beschrieben als Hüne mit auffallend weichen und sanften Gesichtszügen. Aber davon durfte man sich nicht einlullen lassen. Urplötzlich konnte er zur rasenden Bestie werden. Auf seinen Wegen durchs Lager passierte es immer mal wieder, dass er einfach einen Häftling erschoss. Er brauchte nicht mal einen Grund dafür. Die Kameraden baten Mietek Pemper, zu versuchen, Göth öfter auf seinen Inspektionen begleiten zu können, dann würde er nicht immer jemanden erschießen. Mietek hatte nämlich gelernt, zu sehen, wann es bei Göth wieder so weit war. Und mit einer kurzen Bemerkung - es müsse noch ein Brief geschrieben werden oder es müsse noch jemand angerufen werden - konnte er ihn oftmals davon abhalten.
Es machte ihm aber auch bewusst, dass er selbst nie in der Schusslinie stehen durfte, denn dann war niemand da, der Göth für ihn abhielt.

Oskar Schindler tat seit März 1943 so, als wäre Göth sein echter Freund. Selbst nach dessen Verhaftung im Herbst 1944 wahrte er noch diesen Schein, damit Göth nicht noch in letzter Minute seinen Leuten schaden könnte. Und Göth glaubte tatsächlich noch 1946 an diese Freundschaft. Da bat er nämlich um Schindler als Entlastungszeugen.

Juni 1943: Mehr als zwei Millionen Juden aus dem Generalgouvernement waren ermordet worden. 120.000 waren jetzt noch verteilt auf 50 bis 60 Zwangsarbeitslager.

Wenn ich so daran denke, was Schindler alles durchgebockst hat, das kann man sich gar nicht vorstellen. Sein Selbstbewusstsein muss noch größer, als das von Göth gewesen sein. Oder hat er einfach nur unsagbares Glück gehabt? Göth scheint ja doch nicht so schlau gewesen zu sein, um zu merken, dass Schindler ihn und alle anderen nur benutzt hat.

Mit Göth Fürsprache brachte Schindler ein Kunststück zustande: Er bekam die Genehmigung, auf seinem Fabrikgelände ein kleines Außenlager zu errichten. Er wusste ja über die Bedingungen im KZ Bescheid. Und er wusste, wenn seine Arbeiter nach einem Zwölfstundentag zurück mussten, mussten sie noch stundenlang Appell stehen.
Mit einem eigenen Lager waren sie weitgehend vor der Willkür Göths geschützt.
Allerdings wusste Mietek Pemper dies nur vom Hörensagen.

Mietek und Schindler trafen sich zumeist, wenn Göth auf Inspektion in den Außenlagern war. So erfuhr Schindler, was im Lager los war und ob seinen Leuten irgendwie Gefahr drohte.

Es wurde viel zitiert aus dem Gerichtsverfahren und den Briefen von Oskar Schindler - ich habe mir die Bücher Ich, Oskar Schindler und Ich, Emilie Schindler von Erika Rosenberg gekauft - viele Abkürzungen tauchten auf. Mietek Pemper erzählt über das Wesen von Amon Göth und von Oskar Schindler. Und es ist doch mal wieder bezeichnend für Deutschland, dass die Verdienste von Schindler im Ausland mehr anerkannt wurden, als hier bei uns.

Wie sagt Mietek: Wer ein schlechter Mensch ist, wird im Lager zu einem bösen Menschen und wer ein guter Mensch ist, wird im Lager zu einem Heiligen. Und wenn man die angeführten Beispiele betrachtet oder auch andere Bücher zum Thema liest, scheint das tatsächlich so zu sein.

Ruth Klüger sagte mal (aber ich glaube, sie hat es auch von jemandem zitiert): "Verzweiflung macht Mut, Hoffnung aber feig." - Das traf hundertprozentig auf Mietek zu, der sich nie Hoffnungen gemacht hat, lebend das Lager zu verlassen. Er hat immer "nur" versucht, Menschen zu retten.

Eigentlich hätte es diese Liste gar nicht geben können. Das Mietek Pemper, ein Jude, die Position eines Sekretärs eines Lagerkommandanten innehaben konnte, war in Nazideutschland ein Ding der Unmöglichkeit. Wie kam es aber dazu. Es war nur möglich, weil das Lager, in dem er war, kein richtiges Konzentrationslager war, sondern eine, wie soll ich schreiben, eine Art Verschiebung des Krakauer Ghettos. Man wollte alle Juden aus der Stadt raus haben. Millionen wurden ja schon im Ghetto ermordet.
Man mag in dem Zusammenhang immer gar nicht von Glück reden, aber Schindlers Juden hatten Glück. Die Kriegsfront verlief nicht wie gewünscht und man brauchte Arbeitskräfte. So wurden die letzten Juden in Krakau nicht ermordet, sondern in einem Lager eingesperrt.

Mietek Pemper war ein äußerst intelligenter Mann. Und mit gerade mal 23 Jahren so besonnen zu reagieren - wenn ich heute so einige junge Menschen sehe - Hut ab. Aber gut, es war eine andere Zeit, in der Kinder wohl eh sehr schnell erwachsen geworden sind anhand dessen, was sie erlebt haben.

Ich habe mal gesucht, aber leider keine Infos gefunden, warum Spielberg gerade Schindlers Tat
verfilmt hat. Denn berühmt geworden ist er leider nur durch diese Verfilmung.
Vielleicht war es auch die Menge an Menschenleben, die er gerettet hat. Oder die Menge an Informationen, die durch Zeugen noch zur Verfügung standen.
Auf der Suche bin ich auch über dieses Buch gestolpert: Jan Karski - Einer gegen den Holocaust - Ein Kurier in geheimer Mission von E. Th. Wood. Karski war einer der ersten, der den Alliierten die Nachricht vom Holocaust an den Juden übermittelte - aber keiner wollte ihm glauben. Das muss man sich mal vorstellen. Hätte man ansonsten diesen Massenmord verhindern können? Wer weiß.

Sidonie Gabrielle Colette



Der Traum meines Lebens? 
Und was sollte ich mit einem einzigen Traum anfangen?

Colette war eine sehr erfolgreiche Erzählerin, eine Dichterin der Natur und der Instinkte, der Tiere, der kleinen irdischen Dinge und Genüsse. Priesterin der Sinne und des Körpers nannte man sie, erotische Empfindungen stellte sie rückhaltlos dar. Auf zartblaues Papier schrieb sie ihre zarten, lavendelduftenden Geschichten, deren zentrale Themen Begegnen, sich-Finden und der Abschied Liebender war. Ihre Werke sind teilweise autobiografisch.

Am 28. Januar 1873 wurde Colette in Saint-Sauveur-en-Puisaye geboren. Sie heiratete 1893 den 15 Jahre älteren Kunstkritiker und Lebemann Henry Gauthier-Villars (Willy) und zog mit ihm nach Paris, in die Rue Jacob. Er lebte seine Affären vor ihren Augen aus, sperrte sie in der Wohnung ein, damit sie ihre Kindheits- und Schulerinnerungen aufschrieb. Die daraus entstandenen Claudine-Romane verkaufte er ungeniert unter seinem Namen. Außer Colette schrieb noch eine Gruppe von Autoren für ihn Romane und andere Texte.
Ihr Vater, der Offizier war, starb im Jahre 1905. Ein Jahr später trennten sich Colette und Willy und lassen sich 1910 scheiden. In diesem Jahr wird ihr Roman „La Vagabonde“ für den Prix Goncourt vorgeschlagen.
Colette nimmt bei Georges Waag Unterricht in Tanz und Pantomimik. Bis 1912 tritt sie in verschiedenen Varietés und Theater in Paris, der Provinz und außerhalb Frankreichs auf.
1912 stirbt auch ihre Mutter (Sido). Im gleichen Jahr heiratet Colette Henry de Jouvenel. Tochter Colette de Jouvenel (Bel-Gazou) wird 1913 geboren.
Colette arbeitet journalistisch, wird 1920 Ritter der Ehrenlegion.
Nachdem sie sich 1923 von Henry de Jouvenel trennt, wird die Ehe 1925 geschieden. Sie lernt Maurice Goudeket kennen, verkauft das Landhaus in der Bretagne und kauft La Treille Muscate in Saint-Tropez.
1928 wird sie zum Offizier der Ehrenlegion ernannt. sie eröffnet ein Schönheitsinstitut in Paris, schreibt wöchentliche Theaterkritiken und hält umfangreiche Vorträge. Sie heiratet Maurice Goudeket, wird 1935 in die Académie Belge gewählt und 1936 Commandeur der Ehrenlegion. La Treille Muscate wird 1938 verkauft und die endgültige Übersiedlung in die Rue de Beaujolais Nr. 9 (Palais-Royal) findet statt. 1944 wählt man sie in die Académie Goncourt. In den 1940er Jahren konnte sie wegen einer zunehmenden Arthritis nur noch im Liegen schreiben.
Ihr letztes Lebensjahrzehnt ist sie an den Rollstuhl gefesselt. Ein Jahr vor ihrem Tod wird sie noch Grand Officier der Ehrenlegion. Am 3. August 1954 stirbt Colette. Sie bekommt als erste Frau ein Staatsbegräbnis ohne kirchliches Zeremoniell.

Paul Claudel nannte sie „Frankreichs größte Schriftstellerin“, und sein großer Gegenspieler André Gide war ausnahmsweise einer Meinung mit ihm: „Ich kann mir nicht helfen – aber diese Frau ist ein Genie!“

Ihre Biografin Germaine Beaumont schreibt: „Colette hat alles mit ewig jungen Augen betrachtet und trug in sich eine große und alte Weisheit. Es war eine Weisheit, nicht aus Büchern erworben, sondern eine, die in ihrem tiefsten Innern ruhte, zur Freude der Gegenwart, Vorbild für kommende Zeiten und Kronzeuge für die frische, unmittelbare und dauernde Lebendigkeit der französischen Sprache.“


Was für ein herrliches Leben hatte ich! 
Hätte ich es nur früher bemerkt.


Claudine erwacht
Ich heiße Claudine, ich lebe in Montigny. Hier wurde ich 1884 geboren, hier werde ich aller Voraussicht nach nicht sterben.

Adieu, liebe alte Schule, ich werde dich bald verlassen ... Papa schickt mich nach Paris, zu einer reichen, kinderlosen Tante, ich werde die ,gute Gesellschaft' kennenlernen und tausendfach vor den Kopf stoßen ... Wie werde ich ohne meine Wälder leben können, mit diesem unstillbaren Durst nach grünen Wiesen und reiner Luft?

Claudine geht
Alain erfüllt sein Leben mit tausend anspruchsvollen Eitelkeiten: Ehrbarkeit, glänzende, korrekte Laufbahn, das Bedürfnis, in einem eleganten Hau zu wohnen, ein pralles Adreßbuch zu besitzen, Dienstbotenzeugnisse zu überfliegen, seine Frau zu dressieren, die er - wie sein englisches Halbblut - an allzu kurzem Zügel hält...

Oh, ich weiß dieses Zeichen zu deuten: käme er jetzt zurück, wäre er von neuem mein Herr und Meister. Sanft ergäbe sich mein Hals dem wohlbekannten Joch, habe ich doch nie den schmerzenden, zu engen Ring abgestreift, den Alain am Tage unserer Hochzeit an meinen Finger steckte.

3.7.20

Tim Winton: Schwindel

Der australische Autor soll berühmt sein für die unbarmherzige Natur in seinen Geschichten.
In diesem Roman, erschienen bei Luchterhand, “erzählt er die Geschichte eines ehemaligen Umweltaktivisten, der in seinem Leben auf ganzer Linie gescheitert ist, eines Mannes am Abgrund, der die Welt, wie er sie kennt, nicht mehr lieben kann. Und der inmitten seiner Abwärtsspirale eine neue Aufgabe und vielleicht auch wieder Sinn und Hoffnung für sein Leben findet, dort in seinem Hochhaus in Fremantle, an der Westküste Australiens”, wie der Klappentext mitteilt.

Die Washington Post meint: “Einer der gefeiertsten Schriftsteller Australiens.”

Gleich zu Beginn werde ich konfrontiert mit einem Mann, der einen totalen Kater ausnüchtern muss. Und so lesen sich für mich die ersten Seiten etwas holprig. Doch je nüchterner Tom Keely, ein Mann mittleren Alters mit durchschnittlicher Intelligenz, wird, desto flüssiger wird das Lesen. Und ich lasse mich mitreißen in seine Geschichte, die Tim Winton wortgewaltig erzählt.

Tom braucht unbedingt ein Frühstück, doch der Gang durch die Stadt wäre eine Tortur. Er müsste vorbei an "zahnlosen Säufern und mitleidgierenden Aborigines", Sammelbüchsenschwenkern und Straßenkünstlern.

"Die Stadt wurde zu einem Vergnügungspark der Boheme auf dem Fundament einer Immobilienblase, und hinter jeder vernachlässigten Goldrauschfassade, jeder leeren Ladenfront zählte ein Wucherer seine Pennys, schikanierte seine Familie und schimpfte über Flüchtlinge."

Dafür war er zu kaputt. Er bekam schon einen Schweißausbruch, wenn ihn im Fahrstuhl jemand ansprach. Und genau das geschah. Gemma Buck, eine Frau, mit der er im Fahrstuhl fuhr, erinnerte sich an ihn. Doch er fertigte sie an der Tür ab. Und erinnerte sich seinerseits an sie. Er kannte sie aus Kinderzeiten. Die für Gemma und ihre Schwester keine schöne Zeit war. Ihr Vater soff und prügelte seine Frau. Die beiden Mädchen flohen oft zu den Keelys.

Seit Tom Gemma getroffen hat, scheint sich sein Leben zu wandeln. Er geht wieder aus dem Haus; Essen mit seiner Mutter, fährt mit Gemma und ihrem Enkel mit einem Boot hinaus, Vögel beobachten.
Am Abend besucht Gemma ihn und er erfährt so einiges aus ihrer Kindheit. Die schrecklich gewesen war.
Und er denkt wieder darüber nach, sich einen Job zu suchen. Als Umweltaktivist wird er nicht mehr arbeiten können. Könnte er Lehrer werden? Allein die Vorstellung, mit einem Haufen 15-Jähriger in einer Klasse alleine zu sein, verursacht ihm Pein. Gartenarbeit, Taxifahren? Das wäre er zumindest seiner Mutter schuldig, die ihn ein wenig finanziell unterstützt.
Ob er die Kurve kriegt? Ob er von den Tabletten wegkommt, die er zum Einschlafen braucht? Schafft er es, wieder ein normales Leben zu führen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen? Das lest selbst.

Was für eine Erzählweise. Ich brauchte ein wenig, bis ich hineinkam in die Geschichte. Aber dann... dann mochte ich gar nicht mehr aufhören. Und obwohl in der Geschichte streckenweise nichts passierte, war es trotzdem spannend und interessant und hat einfach nur Spaß gemacht. Tim Winton benötigt keine Cliffhanger am Ende eines Kapitels. Eine leise Spannung wird permanent beim Lesen gehalten. Man erfährt nicht gleich zu Beginn, warum Tomm Keely abgestürzt ist. Nein, das erschließt sich so nach und nach. Aus Erinnerungsfetzen. Und so mag man das Buch, einmal begonnen, nicht mehr aus der Hand legen.

Eine absolute Leseempfehlung von mir.