29.8.20

Hedwig Lachmann

 

Julie Wolfthorn: Bildnis der Schriftstellerin Hedwig Lachmann

Hedwig Lachmann wurde am 29. August 1865 in Stolp (Slupsk/Polen) geboren. Die Tochter eines jüdischen Kantors bestand bereits als 15-Jährige das Examen als Sprachlehrerin und ging 1882 als Erzieherin nach England, später nach Dresden und Budapest. 1889 ließ sie sich in Berlin nieder. Hier begann sie, durch Paula und Richard Dehmel ermutigt, englische, französische und ungarische Lyrik ins Deutsche zu übersetzen. 

Sie selbst dichtete und schrieb für Zeitschriften. Ihre „Ungarischen Gedichte“ veröffentlichte sie 1891. 1902 erschien „Im Bilde. Eigenes und Nachdichtungen“ mit Übersetzungen von Werken Verlaines, Swinburnes, Poes und Wildes. 

Seit 1889 hatte sie bis kurz vor ihrem Tod Verbindung zum Friedrichshagener und Pankower Dichterkreis. 


Mit Richard Dehmel, dem sie 1892 begegnete, verband sie eine langjährige Freundschaft. Diese endete, als sich Dehmel für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs begeisterte.

1903 heiratete sie Gustav Landauer, der sich von seiner ersten Ehefrau scheiden ließ; das Paar lebte in England, sie hatten zwei Kinder. Gemeinsam übersetzten sie weitere Werke von Oscar Wilde.

Als Hedwigs Mutter 1917 starb, zog die Familie nach Krumbach. 

Hier starb Hedwig Lachmann am 21. Februar 1918 an einer Lungenentzündung. Ein Jahr später brachte ihr Mann ihr Gesamtwerk unter dem Titel „Gesammelte Gedichte. Eigenes und Nachdichtungen“ heraus.


Luise Auguste Amalie Marby

 


Luise Auguste Amalie Marby wurde am 29. August 1834 in Cottbus geboren. Sie zählt wohl zu den ganz vergessenen Schriftstellerinnen. Vielleicht, weil ihre Werke der Unterhaltungsliteratur zuzuordnen sind. Sie schrieb ca. 40 Romane und Novellen - vieles wurde in Zeitungen veröffentlicht, einiges auch in Buchform.

Erwähnung findet sie in Franz Brümmers Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bd. 4. 6. Aufl. Leipzig, 1913 und bei Sophie Pataky.

Ihr letztes Werk erschien 1914, ein Jahr vor ihrem Tod. Seitdem wurde wohl nichts wieder neu aufgelegt. Nur "Der Stern von Mostar" erschien zwischen 1990 und 1991 im Cottbuser Generalanzeiger als Fortsetzungsroman.

Mit der Schriftstellerin Eugenie Marlitt führte sie einen freundschaftlichen Briefwechsel.

Im Cottbusser Stadtteil Schmellwitz wurde 2007 eine Straße nach ihr benannt.

Amalie Marby starb am 25. August 1915 in Cottbus.





25.8.20

#MagdarineChallenge: vergessene oder kaum noch gelesene Autorinnen; sonstige Autorinnen-Tipps


 Die Buchhändlerin Magda Birkmann (ocelot in Berlin) hat auf Twitter die #MagdarineChallenge zu Büchern von vergessenen oder kaum noch gelesenen Autorinnen gestartet. Dieser Challenge schließe ich mich an. 

Eine Rezi werde ich nicht zu allen Büchern schreiben, aber ich werde zumindest zu jedem Buch einen Beitrag machen, mitteilen, um was es geht und einige Infos zu der Autorin liefern. Auf lange Sicht folgen dann auch Kurzbiografien.

Wenn ihr über meine folgende Buchliste hinaus noch Buchtipps habt, freue ich mich über eure Kommentare.

Ada Leverson (1862-1933)
Alice Ekert-Rotholz - Kurzbiografie
Ama Ata Aidoo (geb. 1942) - Biografie
Amparo Dávila (geb. 1928)
Anita Brookner
Ann Petry
Audre Lorde
Barbara Frischmuth
Bel Kaufman
Beryl Bainbridge
Carmen Laforet (1921-2004)
Caroline Blackwood (1932-1996)
Charlotte Lennox (1730-1804)
Christiane Rochefort (1917-1998)
Christine Brook (1923-2012)
Christine Lavant (1915-1973)
Christine Nöstlinger
Colette - Biografie
Cynthia Propper Seton (1926-1982)
Daphne du Maurier (1907-1989)
Diana Athill
E.M. Delafield (1890-1943)
Elisabeth Augustin
Elisabeth Freundlich
Elizabeth Gaskell (1810-1865)
Elizabeth Jolley: Der Mann im Brunnen
Else Feldmann
Emilia Pardo Bazán (1851-1921)
Erika Mitterer
Evelyn Schlag
Fannie Flaggs (geb. 1944)
Fay Weldon
Frances “Fanny” Burney (1752-1840) umfangreiches Tagebuch
Gabriele Wohmann
Hope Mirrlees (1887-1978)
Irmtraud Morgner (1933-1990)
Isabel Colegate (geb. 1931)
Jane Bowles (1917-1973)
Jesmyn Ward
Joan Aiken
Joyce Dennys (1883-1991)
Julia Armfield
Karin Michaelis
Kate Chopin
Katharina Nocun
Katherine Dunn (1945-2016)
Keri Hulme (geb. 1947)
Lennie Gooding
Leonora Carrington (1917-2011)
Lore Segal
Louise Willder
Magdalen King-Hall (1904-1971)
Mahasweta Devi (1926-2016)
Margaret Forster (1938-2016)
Margaret Lawrence (1926-1987)
Marge Piercy
Maria Edgeworth (1768-1849)
Maria Lazar (1895-1948)
Marian Engel
Marie Vieux-Chauvet (1916-1973)
Mariette Navarro
Marlen Haushofer (1920-1970)
Marlene Stenten
Marta Karlweis (1889-1965)
Mary MacCarthy (1912-1989)
Mary MacLane (1881-1929)
Marya Elizabeth Braddon (1835-1915)
Maya Angelou
Meridel le Sueur (1900-1996)
Merle Hodge (geb. 1944)
Molly Keane (1904-1996)
Monique Roffey
Nalo Hopkinson (geb. 1960)
Nancy Mitford (1904-1973)
Naomi Mitchison (1897-1999)
Noemi Somalvicos
Octavia Butler
Olja Alvir
Paulina Chiziane (geb. 1955)
Penelope Gilliatt (1932-1993)
Phyllis Rose
Pia Lamberty
R.M. Dashwood (1924-2007)
Rachel Ferguson (1892-1957)
Radclyffe Halls (1880-1843)
Renata Adler
Rhoda Broughton (1840-1920)
Rosamond Lehmanns (1901-1990)
Ruth Klüger
Ruth Rehmann
Shirley Jackson (1916-1965) - Bio
Simone Buchholz
Simone Schönett
Stella Gibbons (1902-1989)
Susan Ferrier (1782-1854)
Susan Hill
Suzette Haden Elgin (1936-2015)
Svende Merian
Sybille Bedford (1911-2006)
Tillie Olsen (1912-2007)
Ursule Molinaro (1916-2000)
Vera Caspary (1899-1987)
Veronica Gerber Bicecci
Vicki Baum

Walter Schübler: Bibiana Amon: Eine Spurensuche





H. P. Kraus - leidenschaftlicher Buchhändler, Antiquar und Sammler

 


"Setzen Sie sich mit diesem Buch in Ihren Lieblingssessel, stellen Sie Ihr Lieblingsgetränk griffbereit daneben, und fangen Sie an zu lesen. Nicht einmal Scheherazade hat bessere Geschichten erzählt, und diese hier zeichnen sich auch noch dadurch aus, daß sie wahr sind."

So schreibt Herman W. Lieber im Juni 1977 in seiner Einführung zu diesem wundervollen Buch. Und im Vorwort vom Dezember 1977 lässt H. P. Kraus selbst uns wissen:

"Der Umgang mit alten und seltenen Büchern mag auf den ersten Blick trocken und akademisch wirken. Wer Bücher liebt, wird ihn interessant und spannend finden. Er kann aber auch nervenaufreibend sein, denn man kann unmöglich voraussagen, was der nächste Tag bringen wird."

 H. P. Kraus, Hans Peter Kraus oder auch einfach HPK ist einer der bekanntesten Antiquare der Welt. Er wurde am 12. Oktober 1907 in Wien geboren. Als Fünfjähriger begegnete er dem Kaiser von Österreich und König von Ungarn, Franz Joseph.
Die Männer in der Familie - Vater und Großvater, Onkel und Vetter waren Ärzte - gingen davon aus, dass auch H. P. eine medizinische Laufbahn einschlagen würde. Doch dessen Leidenschaft waren die Bücher. Sein Vater hatte Verständnis, war er doch selbst ein Sammler (u. a. besaß er mehr als einhundert Briefmarkenalben).

Als der Erste Weltkrieg ausbricht, wird der Vater eingezogen und gab seine Praxis und die Wohnung auf. Die Familie zog nach Baden. Dort arbeiteten die Eltern im Lazarett. Die Mutter als Krankenschwester, der Vater, der eigentlich Frauenarzt und Geburtshelfer war, musste nun im Akkord operieren und amputieren.
Der Vater wandte sich nun auch mehr und mehr seinen privaten Beschäftigungen zu: "Obwohl er ein guter Arzt war, konnte man sich des Gefühls nicht erwehren, daß Kunst und Antiquitäten seine wahre Berufung waren. Er hatte seine Freude daran. Sein Interesse - nennen wir es ruhig seine Leidenschaft - an diesen Dingen war so stark, daß er selbst in den dunkelsten Kriegstagen stundenlang Entspannung bei der Beschäftigung mit seiner Briefmarkensammlung finden konnte.
Sobald es Zeit wurde, die Alben beiseite zu legen, fand er wieder in die Wirklichkeit zurück. Bis dahin lebte er in einer anderen, viel besseren Welt. Dies ist ja das bezeichnende Merkmal des wahren Sammlers: die Fähigkeit, sich völlig in die Sache zu versenken und alles andere um sich herum zu vergessen."
H.P.s liebstes Hobby während des Krieges war das Sammeln von Schmetterlingen, Insekten, Blumen, Fossilien und Mineralien.
Der Vater wurde noch nach Serbien versetzt; mit einer Lungenentzündung und Fieber kehrte er nach dem Krieg zurück.

Wieder in Wien, hieß es für H. P., zurück zur Schule - er besuchte nun die Quarta des nahe gelegenen Realgymnasiums - und zurück zu seiner Münzsammlung. Sein Ziel war es, "einen vollständigen Satz römischer Kaiser zu sammeln, das heißt jeweils mindestens eine Münze mit dem Bild eines jeden Kaisers von Augustus bis zum Untergang Roms im Jahre 476 nach Christus". Für seinen schmalen Geldbeutel ein unmöglich zu schaffendes Vorhaben. Doch konnte er immerhin eine Sammlung von 50 Stück zusammentragen.
Die Nachkriegszeit war für Sammler - so sie denn die finanziellen Mittel hatten - ein wahres Paradies. "Als Schatzsucher mit Leib und Seele" zog H.P.s Vater durch die kleinen Dörfer. Oft nahm er den Sohn mit.

"In manchen Teilen Europas gibt es heute noch Dachböden, 
die seit Jahrhunderten kein Mensch betreten hat."

Beim Durchstöbern so eines Dachbodens entdeckte H. P. sein erstes seltenes Buch - einen Atlas mit "Landkarten mit alten, aber beinahe richtigen  Darstellungen des Mittelmeers und nicht ganz so richtigen anderer Teile der Erde". Datum: MDXCV. Ausgestattet mit Karten des berühmten flämischen Kartographen Gerardus Mercator.
Sie brauchten nicht einmal dafür bezahlen. Erst viel später sollte H. P. den wahren Wert des Buches erfahren. Zuvor ermöglichte ihm der Verkauf des Buches für eintausend Schilling nach Beendigung der Schule eine Italienreise. Und die Beschäftigung mit dem Buch - herauszufinden, ob es sich tatsächlich um eine Erstausgabe handelte und ob es vollständig war - hat ihm "so viel Vorgeschmack vom Buchhandel gegeben, daß ich auf der Stelle erkannte, dies sei der richtige Beruf für mich".

Wie H. P. Kraus zu einem der bekanntesten Antiquare wurde und was er uns aus seinem interessanten Leben erzählt, das müsst ihr selbst herausfinden. Ich kann euch versichern, dass das Lesen alleine, seine Erzählweise, schon unheimlich Spaß macht.

Ich für meinen Teil werde den Rest des Buches, immerhin noch 300 Seiten, für mich genießen und schöne Zitate rausschreiben.

Wen es interessiert, wie ein richtiger Antiquar sein Handwerk ausübt, seine Hochs und Tiefs erfahren möchte, über wirklich alte Bücher staunen möchte, der greife zu diesem Buch.

Ich habe jedenfalls darüber gestaunt, wie Druckwerke, die noch älter als die erste Gutenberg-Bibel sind, bis heute erhalten bleiben können, während unsere heutigen Bücher nach ein paar Jahren vergilben und teilweise auseinanderfallen (und dabei war bisher nach meinem Wissensstand die Gutenberg-Bibel das bisher erste gedruckte Buch).

Zum Schluss noch ein Zitat, das mir wie auf den Leib geschneidert ist:

Den ganzen Tag mit Büchern umzugehen, über sie zu sprechen und davon auch 
noch leben zu können, das wäre genau das richtige für mich.

24.8.20

Walter Kempowski - der Archivar

 

Walter Kempowski - bis zur Wende sagte mir der Name nichts. So richtig aufmerksam auf ihn geworden bin ich erst, als ich 2001 nach Ostfriesland zog und zwei Jahre später bei den Ostfriesischen Nachrichten im Archiv zu arbeiten begann.

Da gab es nämlich hin und wieder einen Zeitungsbeitrag, in dem berichtet wurde, dass die Landfrauen Walter Kempowski besuchen würden. Da habe ich mich erstmals so richtig schlau über ihn gemacht und gedacht: Ja, da würdest gerne mal mitfahren. Doch dann las ich, was er dazu schrieb: 

"Nartum, 27. Juni 1991 
Gegen Abend 30 Landfrauen, die unser Haus besichtigen wollten. Ich zog mich zurück und ließ es Frau Schönherr machen, die die Damen ja auch eingeladen hatte. Unter solchen Umständen muß ich arbeiten. Ein Wunder, daß ich überhaupt etwas zustande bringe. Ich blieb am Schreibtisch sitzen und war ebenfalls zur Besichtigung freigegeben." 

Dann las ich zwei seiner Tagebücher und war total begeistert. Und dann erinnerte ich mich, dass ich viel früher mal Tadellöser & Wolff lesen wollte und ziemlich am Anfang noch gescheitert bin. Die Biografie von Dirk Hempel - die habe ich verschlungen. Und "Im Block" - das ging mir richtig nahe. 

Noch während ich die Biografie las, habe ich mir fast alle Bücher von ihm gekauft. Selbst das Echolot habe ich beisammen, wobei ich den ersten Schuber vom Senior-Chef geschenkt bekommen habe, weil er mitbekommen hat, was für eine Leseratte ich bin. 

Im Sirius-Tagebuch fand ich diese Sätze: 

"Dachte ans Archiv, an das Wispern meiner lieben Toten, an die stille Maulwurfsarbeit. - Merkwürdig, daß alle meine Berufswünsche in Erfüllung gegangen sind: Schulmeister, Schriftsteller, Archivar. Wenn ich als Kind gefragt wurde: 'Was willst du werden?' antwortete ich: 'Ich will Archiv werden.' Der Zauber, der von Karteien ausgeht. Karteien machen süchtig." 

Archivar - ja, er hat ihn gehabt, meinen Traumjob. Den ich nicht mehr habe, seit ich für die Zeitung Korrektur lese. 

Ich möchte schon seit Längerem ein Kempowski-Leseprojekt starten. Über sein erstes Buch bin ich noch nicht hinausgekommen. Ich hoffe, ich bekomme den Dreh noch hin. 

Zum Schluss noch ein paar Worte von ihm, die ich so wichtig finde: 

"Wir sollten den Alten nicht den Mund zuhalten, wenn sie uns etwas erzählen wollen, und wir dürfen ihre Tagebücher nicht in den Sperrmüll geben, denn sie sind an uns gerichtet – die Erfahrungen ganzer Generationen zu vernichten, diese Verschwendung können wir uns nicht leisten. Seit langem bin ich wie besessen von der Aufgabe, zu retten, was zu retten ist, ich habe nie etwas liegenlassen können, ich habe angesammelt, was zu bekommen war, und ich habe alles gesichtet und geordnet." 

Ich wäre so gerne dabei gewesen.

12.8.20

A. S. Byatt

 

Sheffield
Bild von Stanislav Hedvik auf Pixabay
  


A.S. (Antonia Susan) Byatt wurde als ältestes von vier Kindern am 24. August 1936 in Sheffield geboren. Ihr Vater war der Richter und Schriftsteller John Frederick Drabble. Mit 13 Jahren macht sie ihre ersten Schreibversuche. 1957/58 war sie ein Jahr in den USA, danach widmete sie sich an der Oxford University ihrem Promotionsvorhaben über die englische Literatur des 17. Jh., was sie wegen Heirat und der Geburt ihrer ersten beiden Kinder abgebrochen hat.

1964 feierte sie mit ihrer Erzählung "Shadow of a Sun" ihren ersten literarischen Erfolg. Diese und auch der folgende Roman „The Game“ sind autobiografisch – Thema sind eine schwierige Vater-Tochter-Beziehung und geschwisterliches Konkurrenzdenken. Erst zehn Jahre später (1978) – zwischenzeitlich ließ sie sich scheiden und ihr Sohn starb mit neun Jahren – begann sie mit „Die Jungfrau im Garten“ - eine vierbändige Chronik von Englands "zweitem elisabethanischen Zeitalter" seit 1953. 

Ihren Durchbruch hatte sie erst im Jahr 1990 mit ihrem Roman „Besessen“. Nachdem sie vorher eher negativ beurteilt wurde, wurde sie nun von der britischen Literaturkritik frenetisch gefeiert und erhielt Literaturpreise. Die meisten ihrer Werke kamen auch auf den deutschen Markt.

Seit 1986 ist A. S. Byatt Mitglied im PEN-Club. Sie ist in zweiter Ehe mit Peter J. Duffy verheiratet, mit dem sie zwei Kinder hat. Aus erster Ehe lebt noch eine Tochter.


9.8.20

Lesja Ukrainka

 
Gruppenbild bei Eröffnung eines Denkmals für Iwan Kotljarewskyj in Poltawa 1903. Von links nach rechts: Mychajlo Kozjubynskyj, Wassyl Stefanyk, Olena Ptschilka, Lesja Ukrajinka, Mychajlo Staryzkyj, Hnat Chotkewytsch, Wolodymyr Samijlenko


Lesja Ukrainka (eigtl.Larisa Petrovna Kosach-kvitka) wurde am 25. Februar 1871 als Tochter eines Juristen und der Schriftstellerin Olena Ptschilka in Nowohrad-Wolynskyj geboren. Sie erhielt eine umfassende Bildung und kam so früh mit Literatur und Kultur in Kontakt. Sie hatte ein großes musikalisches Talent, doch da sie an Knochentuberkulose erkrankte, wandte sie sich der Literatur zu.

Ihr Onkel mütterlicherseits, der Dichter Mychajlo Drahomanow förderte sie; so lernte sie schon als Kind den Dichter und Dramaturgen Mychajlo Staryzkyj und den Komponisten Mykola Lyssenko kennen. Erste Gedichte schrieb sie schon mit neun Jahren, mit dreizehn wurde sie in der „Lemberger Zeitschrift“ veröffentlicht. Da schrieb sie das erste Mal unter dem Pseudonym Lesja Ukrajinka.

Ihre frühen lyrischen Arbeiten waren von Taras Shevchenko beeinflusst. Sie schrieb über Einsamkeit und soziale Entfremdung und war insbesondere von der Liebe zur nationalen Freiheit geprägt. Ihre Werke „Auf den Flügeln der Lieder“ (1893), „Gedanken und Träume“ (1899) und „Echoes“(1902) etablierten sie als die führende junge ukrainische Dichterin.


Sie kämpfte gegen den Zarismus und schloss sich ukrainischen marxistischen Organisationen an. 1902 übersetzte sie das Kommunistische Manifest und andere sozialistische und marxistische Texte von Lenin, Marx und Engels ins Ukrainische. Es folgten immer mehr politische Satiren, in denen sie die Bourgeoisie kritisierte.

Einige Jahre später wurde sie verhaftet; nach ihrer Entlassung stand sie unter Beobachtung der zaristischen Polizei. 1907 heiratete sie den Gerichtsbeamten Klyment Kvitka.

Seit etwa 1906 schrieb Ukrainka poetische Dramen; Inspiration dazu holte sie sich zum Beispiel aus dem Alten Testament, dem antiken Griechenland und Rom, der frühchristlichen Ära oder dem Mittelalter.

Ukrainka verfasste auch kritische Essays und Kurzgeschichten und sie war als Übersetzerin von Ivan Turgenjev, William Shakespeare, Homer, Lord Byron und Victor Hugo tätig. Auch an dem 1892 in Lemberg erschienenen Buch der Lieder von Heinrich Heine war sie mit 92 Übersetzungen beteiligt.

Ihr Werk gilt als bedeutender Beitrag zur Neuromantik.

Wegen ihrer kranken Lungen waren immer wieder Kuraufenthalte nötig; so reiste sie durch Europa bis nach Ägypten – die vielfältigen Eindrücke verarbeitete sie in ihren Werken.


Ihre letzten Jahre lebte Lesja Ukrainka in Georgien und Ägypten. Sie starb am 1. August 1913 in Surami, Georgien. Bis zum Schluss dichtete sie unermüdlich.

Im übrigen rügen mich die Leute nicht allein der Gedichte wegen, sondern auch dafür, daß ich zu wenig idealistisch und tendenziös bin. Wenn ich aber, so scheints mir, die Tendenz an den Haaren herbeiziehe, so werden es alle hören, wie ihr unglückliches Haar knistern wird. Und wenn sie es will, so wird sie selbst zu mir kommen und ich werde sie dann nicht mehr vertreiben. - Lesja Ukrajinka 1892 in einem Brief an ihren Onkel Mychajlo Drahomanov.


Erhard R Wiehn (Hg.): Judaica: Babylonische Gefangenschaft und andere Gedichte
Vorwort Nadiya Medvedovska: Zu Lesja Ukrainkas Leben und Werk Lesja Ukrainka: Judaica 1. Hebräische Melodie (1896) 2. "Wenn ich nur wüsste" (1898) 3. In der Wüste (9.9.1898) 4. Hebräische Melodien (2.12.1899) 5. Sau1 (18.10.1900) 6. Babylonische Gefangenschaft (15.2.1903) 7. Die Tochter des Jeftah (4.2.1904) 8. Auf den Ruinen (11.9.1904) 9. Prophet (11. 1.1906) 10. Im Haus der Arbeit (18.10.1906) Quellen. Nadiya Medvedovska: Lesja Ukrainkas Besonderheiten der Dramaturgie Ausgewählte Literatur Erhard Roy Wiehn: Gegen Knechtschaft und Gefangenschaft Nadiya Medvedovska

Aus dem Ukrainischen und kommentiert von Nadiya Medvedovska
Verlag Hartung-Gorre Konstanz


7.8.20

Kressmann Taylor: Adressat unbekannt

 

Gekauft hatte ich es hauptsächlich, weil es in Briefform geschrieben ist. Ich hatte auch schon einige Meinungen zu diesem Buch gelesen und war sehr gespannt, wie die Handlung in dieses dünne Büchlein passen sollte.
Max Eisenstein und Martin Schulse sind Geschäftspartner, Freunde, und führen in San Francisco eine Kunstgalerie, die sehr gut läuft. 1932 siedelt Martin nach München über und wird mit der Zeit mehr und mehr bekennender Nationalsozialist. Diese Entwicklung kann man sehr gut aus seinen Briefen herauslesen. Als eines Tages Max' Schwester Griselle vor Martins Tür steht und Hilfe benötigt, da sie von SA-Männern verfolgt wird, verwehrt er sie ihr. Das ist Griselles Todesurteil.

Max beginnt nun, sich für den Tod seiner Schwester zu rächen. Wie, das verrate ich Euch nicht. Für einige Cents gibt es das Büchlein gebraucht bei Amazon.Das Buch erschien 1938 unter dem Pseudonym Kressmann Taylor, da ihr Verleger meinte, ein politischer Text einer Frau würde nicht ernst genommen.Es ist gespickt mit einem Vorwort von Elke Heidenreich. Wer neugierig auf das Buch geworden ist, dem empfehle ich, dieses Vorwort erst im Nachhinein zu lesen, da es schon sehr viel von der Handlung vorwegnimmt.

Anna Schieber

 

Bild von Erich Westendarp auf Pixabay Anna Schieber (12. Dezember 1867 - 7. August 1945) war eine deutsche Schriftstellerin. Und anscheinend eine sehr fleißige Schreiberin. Viele Kinder- und Jugendbücher enthält ihr Werk, aber auch Erzählungen für Erwachsene.Ihre volkstümlichen und oft humorvollen Schilderungen aus dem schwäbischen Alltag fanden dort auch die meisten Leser*innen. Später wurde sie sozialkritisch, interviewte Mütter und Frauen im Gefängnis, schrieb über geistig und körperlich Behinderte, Unterprivilegierte und über das Zwischenmenschliche.Von 1918 bis 1944 lebte sie mit ihrer Lebensgefährtin, der Frauenrechtlerin und Krankenpflegerin Marie Cauer, zusammen.Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nahm sie sich das Leben. Ihr Grab auf dem Tübinger Stadtfriedhof ist noch erhalten. Im Deutschen Literaturarchiv in Marbach wird ein Teil ihres Nachlasses aufbewahrt.

Zwei ihrer Werke wurden schon ins Gutenberg-Projekt aufgenommen.

6.8.20

Isabel Bolton



Isabel Bolton wurde am 6. August 1883 in New London, Connecticut, als Mary Britton Miller geboren.
Ihre Eltern starben an Pneumonie (Lungenentzündung), als Mary Britton vier Jahre alt war und ihre Zwillingsschwester Grace ertrank mit 14 Jahren. Mary Britton Miller wurde von verschiedenen Verwandten aufgenommen und besuchte ein Internat in Cambridge, Massachusetts.

Die Familie mied sie wegen ihrer schriftstellerischen Ambitionen. Nach einem dreijährigen Aufenthalt in Europa, hauptsächlich in Italien, wurde ihr ein uneheliches Kind nachgesagt.

Als sie in die Vereinigten Staaten zurückkehrte, zog sie nach Manhattan. Hier schrieb sie Gedichte für Kinder und Erwachsene. Ihr erster Roman In the Days of Thy Youth hatte die emotionale Bindung eines Zwillingspaares zum Thema, fand allerdings kaum Beachtung.

Später, mit 62 Jahren, legte sich Mary Miller das Pseudonym Isabel Bolton zu. Mit diesem Namen veröffentlichte sie drei erfolgreiche Romane. Diese wurden später als die New York Mosaik Trilogie bekannt. Dass sie so einen Erfolg hatte, ist auch dem bekannten Kritiker Edmund Wilson zu verdanken, der Isabel Bolton in der Nachfolge von Henry James und Virginia Woolf sah. 
Isabel Bolton gehörte zeitweise der Künstlerkolonie Yaddo an.

Isabel Bolton starb am 5. April 1975 in New York. Sie geriet in Vergessenheit. Erst seit 1997 wurde man wieder auf sie aufmerksam und ihre Werke gelten nun als Klassiker der modernen amerikanischen Literatur. Die letzte deutsche Neuauflage ist aber auch schon wieder fast 20 Jahre her.

4.8.20

Tim Winton

   


Tim Winton wird heute hoffentlich bei guter Gesundheit 60 Jahre alt. Mein erstes Buch von ihm war "Schwindel" - ich war begeistert. Es folgten "Weite Welt" und "Der singende Baum" - und ich bin immer noch begeistert. 

Nach einem Kurs in kreativem Schreiben an der Curtin University in Perth gewann er mit 21 Jahren seinen ersten Literaturpreis und lebt seither als freier Schriftsteller. Geschrieben hat er bisher Romane, Erzählungen, Kurzgeschichten, Kinderbücher und Sachbücher. Es gibt auch Bühnen- und Filmfassungen.
Für seine Werke hat er diverse Auszeichnungen erhalten und wurde zweimal auf der Shortlist zum Booker Prize gelistet.
Tim Winton ist verheiratet und hat drei Kinder. 

Ich habe lange niemanden gelesen, der mir seine Figuren so lebensecht beschreibt. Von der wilden Natur Australiens mal ganz abgesehen. "Der singende Baum" ist eine Wucht. Absolute Leseempfehlung und ein Zitat:

Georgie schaute in das flache, teefarbene Wasser. Hier war es kühl. Der Südwind ließ das Laub und die weißliche, papierene Rinde der Kajeputs erzittern. Ich verstehe nicht, warum du das tust, sagte sie. So leben. Ich meine, warum bleibst du hier? Dinge, Orte, so was schüttelt man nicht so leicht ab. Georgie versuchte, nicht die Augen zu verdrehen. Sie hatte die Macht nie verstanden, die Orte über Menschen haben konnten. Diese Art von Nostalgie machte sie ungeduldig. Es war schrecklich zu sehen, wie Leute sich ihren Erinnerungen verpflichtet fühlten, wie sie, nur aus einem perversen Treuegefühl heraus, in Häusern und Orten blieben.

"Schwindel" habe ich hier näher vorgestellt.

1.8.20

Chris Abani



Chris Abani wurde am 27. Dezember 1966 in Afikpo (Nigeria) geboren. Mit sechzehn Jahren begann er schon zu schreiben. Da er gegen das nigerianische Militärregime schrieb, wurde er in den 1980er Jahren mehrfach inhaftiert und 1991 zum Tode verurteilt. Er konnte im gleichen Jahr in die USA emigrieren, wo er dann Romane, Novellen und Lyrik verfasste.

2004 nahm Chris Abani am Internationalen Literaturfestival Berlin teil. 2015 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.

Derzeit ist er Middleton Fellow an der University of Southern California und lehrt an der University of California Riverside als Gastprofessor.