18.7.20

Mietek Pemper: Der rettende Weg - Schindlers Liste - Die wahre Geschichte

"Im Gedenken an die Millionen Opfer des Holocaust und zu Ehren von Oskar Schindler, dem mutigen Retter, dem mehr als eintausend Juden ihr Überleben verdanken."

Erinnert ihr euch an den Film Schindlers Liste? Für Steven Spielbergs Film von 1993 hat Mietek Pemper seine Lebensgeschichte aufgearbeitet. Erst danach konnte er sich überwinden, bei Vorträgen und in Schulklassen über sein Schicksal zu erzählen.
Pempers und Itzhak Sterns (Oskar Schindlers jüdischer Buchhalter) Tätigkeiten hat Spielberg aus dramaturgischen Gründen in der Figur des Schindler-Buchhalters (gespielt von Ben Kingsley) zusammengefasst, sodass Pempers Anteil weniger bekannt wurde.
Mietek Pempers Buch wurde dann 2005 veröffentlicht.

Während des Studiums 1938 an der Jagiellonen-Universität spürte Mietek Pemper das erste Mal, dass man ihn als Jude in seinem Heimatland Polen wohl nicht wirklich wollte.
Krakau wurde 1939 von den Nazis zur "urdeutschen" Stadt deklariert und deshalb kaum bombardiert. Ganz anders Warschau, das auf Hitlers Befehl dem Erdboden gleichgemacht werden sollte.
In der Hauptstadt des Generalgouvernements stieg der Wohnungsbedarf, und so sollten die Juden aus der Stadt vertrieben werden. Zuvor wurde aber Ende Oktober 1938 in Deutschland schon eine sogenannte Polenaktion durchgeführt. Tausende Juden, die vormals aus Polen stammten, sollten dorthin zurück. Da spielte es auch keine Rolle, dass viele von ihnen in Deutschland geboren wurden und nur die Eltern oder Großeltern aus Polen kamen.

Der vierzehnjährige Chaim Yechieli schrieb:

"Die SS hat uns über die Grenze ins Niemandsland getrieben, hat mit Stöcken geschlagen. Wir standen sechs Stunden zwischen den beiden Grenzen. Es gab einen Sprühregen. Und die Deutschen standen mit gezückten Revolvern auf der einen Seite und die polnischen Soldaten mit Bajonetten auf dem Gewehr auf der anderen."

Diese Situation muss man sich mal vorstellen. Diese Menschen stehen da, mussten alles zurücklassen und niemand will sie aufnehmen. Polen hat sie dann doch aufgenommen, sie wurden unter erbärmlichen Bedingungen in einer mittleren Grenzstadt untergebracht. Erst einen Monat später durften sie weiter ins Landesinnere, von wo aus sie dann versuchten, nach Amerika oder in andere Länder auszureisen. Wer es nicht rechtzeitig schaffte, fiel knapp ein Jahr später der SS in die Hände.

Ich selbst kenne Auschwitz nur als Ort des Schreckens. Für Mietek Pemper war Auschwitz bis dahin eine ganz gewöhnliche Stadt, die zum Schreckensort wurde. Etwa eine Million Juden und einhunderttausend Polen wurden hier umgebracht - nicht mitgerechnet die vielen Opfer aus anderen Ländern und ethnischen Gruppen.
Mit der Einrichtung eines Ghettos für die jüdische Bevölkerung verschärfte sich deren Situation noch mal. Jüdische Männer mussten 1941 die Mauer um ihr Ghetto errichten.

Im Vernichtungslager Belzec wurden innerhalb von acht Monaten ungefähr 600.000 Juden vergast. Bauern aus der Umgebung berichteten vom Geruch verbrannten Fleisches. Und das war erst der Anfang.

Dank seiner Tätigkeit als Behördenkorrespondent wusste Mietek Pemper Bescheid über die Aufgabenfelder der Zivilverwaltung. Diese verlor zu Beginn 1942 die Verantwortung der "Judenangelegenheiten" an die deutsche Sicherheitspolizei (besser bekannt als Gestapo).

Später fragten ja viele, warum sich die Juden nicht gewehrt hätten. Mietek Pemper war der Überzeugung, dass das nichts genutzt hätte. Was hätten die paar bewaffneten Widerstandskämpfer, die es gab, auch gegen die deutsche Macht ausrichten können? Nein, Pemper war eher der Meinung, dass man so viele Menschen wie möglich vor dem Tode retten musste.

Die meisten Menschen im Ghetto glaubten ja, dass das ihre Endstation wäre. Doch Mietek erfuhr durch seine Arbeit, "daß es im Generalgouvernement bald kaum mehr Juden geben werde, allenfalls nur noch wenige, ,kaserniert in Zwangsarbeitslagern oder in Konzentrationslagern'.

Am 13./14. März 1943 wurde das Krakauer Ghetto aufgelöst. Nur etwa 8000 Menschen überlebten dieses Massaker und ihr Status hatte sich mit dem Verlassen des Ghettos grundlegend verschlechtert, als sie ins Lager Krakau-Plaszów kamen.

"Alles, was wir bisher an Grausamkeiten erlebt hatten, erfuhr noch einmal eine Steigerung. Es kam immer noch schlimmer. Ich wünsche niemandem, erleben zu müssen, was er unter Umständen aushalten kann."

Im Lager wurde Mietek Pemper zum persönlichen Stenografen von Amon Göth. Er sah seine Überlebenschancen als sehr gering an, da Göth für seine Grausamkeiten bekannt war. "Jeden Tag verbrachte ich mehrere Stunden mit Amon Göth. Jeden Tag mußte ich um mein Leben bangen. Die nervliche Zerrüttung, die das in mir anrichtete, läßt sich kaum beschreiben. Mir fehlt dazu das Vokabular." Über 540 Tage lang (vom 18. März 1943 bis zum 13. September 1944, seiner Verhaftung in Wien) musste Wietek Pemper das aushalten.
Anhand eines Schriftstücks erfuhr Mietek Pemper nun auch, dass sie nicht mehr als Ghettobewohner mit Außenstelle Jerozolimskastraße in Krakau galten, sondern Häftlinge eines Zwangsarbeitslagers und somit vollkommen rechtlos waren.

Bei Amon Göth musste man nicht nur Angst um sein eigenes Leben haben. Hatte er einen Häftling ermordet, wurden auch dessen Familienmitglieder umgebracht, weil Göth keine unzufriedenen Menschen im Lager haben wollte.

Die meisten Kriegsverbrecher wollten oder haben sich ja wohl damit herausgeredet, dass sie auf Befehl töteten. Schon auf den ersten achtzig Seiten dieses Buches erfährt man schon von zwei Personen, denen es anscheinend sogar Spaß gemacht hat, jüdische Menschen umzubringen. Und das aus den fadenscheinigsten oder auch gar keinen bestimmten Gründen.

Auf der Wannsee-Konferenz im Januar 1942 wurde die Ermordung sämtlicher Juden im Herrschaftsbereich beschlossen. Doch die fatale Entwicklung an der Ostfront bedeutete für das Deutsche Reich einen akuten Arbeitskräftemangel. Von November 1941 bis Januar 1942 starben in deutschen Lagern eine halbe Million russische Kriegsgefangene. Es wurde unverhohlen von "Vernichtung durch Arbeit" gesprochen. Fast alle Reparaturen an Uniformen und Stiefeln für die Soldaten der Ostfront wurden von jüdischen Zwangsarbeitern erledigt.

Und dann kam Oskar Schindler ins Spiel. Der eigentlich einen Textilbetrieb als Treuhänder übernehmen wollte. Zum Glück wurde aus diesen Plänen nichts, denn so ein Betrieb war nicht "siegentscheidend". So kaufte er einen metallverarbeitenden Betrieb, ohne den Schindlers Liste nicht möglich geworden wäre.

"In all den finsteren Jahren bin ich keinem zweiten Menschen begegnet, der wie Oskar Schindler über so lange Zeit so mutig und entschieden eine so große Rettungsaktion organisierte. Dabei war er keineswegs ein Heiliger, sondern sehr menschlich und oftmals leichtsinnig. Aber wir jüdischen Häftlinge konnten uns auf ihn verlassen. Er ließ uns niemals im Stich."

Beim Prozess im Herbst 1946 wurde Göth von einigen Zeugen beschrieben als Hüne mit auffallend weichen und sanften Gesichtszügen. Aber davon durfte man sich nicht einlullen lassen. Urplötzlich konnte er zur rasenden Bestie werden. Auf seinen Wegen durchs Lager passierte es immer mal wieder, dass er einfach einen Häftling erschoss. Er brauchte nicht mal einen Grund dafür. Die Kameraden baten Mietek Pemper, zu versuchen, Göth öfter auf seinen Inspektionen begleiten zu können, dann würde er nicht immer jemanden erschießen. Mietek hatte nämlich gelernt, zu sehen, wann es bei Göth wieder so weit war. Und mit einer kurzen Bemerkung - es müsse noch ein Brief geschrieben werden oder es müsse noch jemand angerufen werden - konnte er ihn oftmals davon abhalten.
Es machte ihm aber auch bewusst, dass er selbst nie in der Schusslinie stehen durfte, denn dann war niemand da, der Göth für ihn abhielt.

Oskar Schindler tat seit März 1943 so, als wäre Göth sein echter Freund. Selbst nach dessen Verhaftung im Herbst 1944 wahrte er noch diesen Schein, damit Göth nicht noch in letzter Minute seinen Leuten schaden könnte. Und Göth glaubte tatsächlich noch 1946 an diese Freundschaft. Da bat er nämlich um Schindler als Entlastungszeugen.

Juni 1943: Mehr als zwei Millionen Juden aus dem Generalgouvernement waren ermordet worden. 120.000 waren jetzt noch verteilt auf 50 bis 60 Zwangsarbeitslager.

Wenn ich so daran denke, was Schindler alles durchgebockst hat, das kann man sich gar nicht vorstellen. Sein Selbstbewusstsein muss noch größer, als das von Göth gewesen sein. Oder hat er einfach nur unsagbares Glück gehabt? Göth scheint ja doch nicht so schlau gewesen zu sein, um zu merken, dass Schindler ihn und alle anderen nur benutzt hat.

Mit Göth Fürsprache brachte Schindler ein Kunststück zustande: Er bekam die Genehmigung, auf seinem Fabrikgelände ein kleines Außenlager zu errichten. Er wusste ja über die Bedingungen im KZ Bescheid. Und er wusste, wenn seine Arbeiter nach einem Zwölfstundentag zurück mussten, mussten sie noch stundenlang Appell stehen.
Mit einem eigenen Lager waren sie weitgehend vor der Willkür Göths geschützt.
Allerdings wusste Mietek Pemper dies nur vom Hörensagen.

Mietek und Schindler trafen sich zumeist, wenn Göth auf Inspektion in den Außenlagern war. So erfuhr Schindler, was im Lager los war und ob seinen Leuten irgendwie Gefahr drohte.

Es wurde viel zitiert aus dem Gerichtsverfahren und den Briefen von Oskar Schindler - ich habe mir die Bücher Ich, Oskar Schindler und Ich, Emilie Schindler von Erika Rosenberg gekauft - viele Abkürzungen tauchten auf. Mietek Pemper erzählt über das Wesen von Amon Göth und von Oskar Schindler. Und es ist doch mal wieder bezeichnend für Deutschland, dass die Verdienste von Schindler im Ausland mehr anerkannt wurden, als hier bei uns.

Wie sagt Mietek: Wer ein schlechter Mensch ist, wird im Lager zu einem bösen Menschen und wer ein guter Mensch ist, wird im Lager zu einem Heiligen. Und wenn man die angeführten Beispiele betrachtet oder auch andere Bücher zum Thema liest, scheint das tatsächlich so zu sein.

Ruth Klüger sagte mal (aber ich glaube, sie hat es auch von jemandem zitiert): "Verzweiflung macht Mut, Hoffnung aber feig." - Das traf hundertprozentig auf Mietek zu, der sich nie Hoffnungen gemacht hat, lebend das Lager zu verlassen. Er hat immer "nur" versucht, Menschen zu retten.

Eigentlich hätte es diese Liste gar nicht geben können. Das Mietek Pemper, ein Jude, die Position eines Sekretärs eines Lagerkommandanten innehaben konnte, war in Nazideutschland ein Ding der Unmöglichkeit. Wie kam es aber dazu. Es war nur möglich, weil das Lager, in dem er war, kein richtiges Konzentrationslager war, sondern eine, wie soll ich schreiben, eine Art Verschiebung des Krakauer Ghettos. Man wollte alle Juden aus der Stadt raus haben. Millionen wurden ja schon im Ghetto ermordet.
Man mag in dem Zusammenhang immer gar nicht von Glück reden, aber Schindlers Juden hatten Glück. Die Kriegsfront verlief nicht wie gewünscht und man brauchte Arbeitskräfte. So wurden die letzten Juden in Krakau nicht ermordet, sondern in einem Lager eingesperrt.

Mietek Pemper war ein äußerst intelligenter Mann. Und mit gerade mal 23 Jahren so besonnen zu reagieren - wenn ich heute so einige junge Menschen sehe - Hut ab. Aber gut, es war eine andere Zeit, in der Kinder wohl eh sehr schnell erwachsen geworden sind anhand dessen, was sie erlebt haben.

Ich habe mal gesucht, aber leider keine Infos gefunden, warum Spielberg gerade Schindlers Tat
verfilmt hat. Denn berühmt geworden ist er leider nur durch diese Verfilmung.
Vielleicht war es auch die Menge an Menschenleben, die er gerettet hat. Oder die Menge an Informationen, die durch Zeugen noch zur Verfügung standen.
Auf der Suche bin ich auch über dieses Buch gestolpert: Jan Karski - Einer gegen den Holocaust - Ein Kurier in geheimer Mission von E. Th. Wood. Karski war einer der ersten, der den Alliierten die Nachricht vom Holocaust an den Juden übermittelte - aber keiner wollte ihm glauben. Das muss man sich mal vorstellen. Hätte man ansonsten diesen Massenmord verhindern können? Wer weiß.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wichtiger Hinweis

Seit dem 25. Mai 2018 gilt auch in Deutschland die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Mit der Abgabe eines Kommentars erklärt Ihr euch einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) eventuell abgespeichert und für Statistiken von Google weiterverarbeitet werden.

Beim Absenden eines Kommentars für weitere Benachrichtigungen auf Folgekommentare erklärt ihr euch ebenfalls einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) abgespeichert werden.