Marge Piercy (*31. März 1936) entstammt einer Arbeiterfamilie und erlebte das Detroit der Weltwirtschaftskrise.
Sie war eine eher gleichgültige Schülerin, bis sie an Masern und dem rheumatischen Fieber erkrankte und kaum noch etwas tun konnte, außer zu lesen. „Es hat mich gelehrt, dass es dort eine andere Welt gibt, dass es all diese Horizonte gibt, die ganz anders sind als das, was ich sehen konnte."
Über ihre Kindheit und jüdische Identität sagte Piercy: „Als ich aufwuchs, wurden Juden und Schwarze immer in einen Topf geworfen. Ich bin nicht ‚weiß‘ aufgewachsen. Mein erster Freund war nicht weiß, bis wir eine Zeit lang in Baltimore waren und ich kann nicht ausdrücken, wie seltsam es war, weil niemand wusste, dass ich Jude war."
In ihrer Familie war sie die erste, die ein College besuchen und dann studieren konnte.
Fürs Studium erhielt sie ein Stipendium und war politisch engagiert bei Friedens-, Antiatom- und Frauenbewegungen.
Nach einem Aufenthalt mit ihrem Mann in Frankreich ließen sie sich, zurück in den Vereinigten Staaten, scheiden. Da war sie 23 Jahre alt. In Chicago hatte sie verschiedene Teilzeitjobs, während sie erfolglos versuchte, ihre Romane zu veröffentlichen. Doch ihr war schon klar, dass sie Belletristik schreiben wollte, die sich auf Politik, Feminismus und Menschen aus der Arbeiterklasse konzentrierte.
Nach einer 2. Ehe heiratete sie ihren jetzigen Ehemann Ira Wood. Beide leben in Wellfleet , MA. Piercy entwarf ihr Haus, in dem das Paar seit den 1970er Jahren lebt, selbst.
Ihre 17 Romane (darunter berühmte historische und Zukunftsromane) wurden zumeist in der Tradition des sozialkritischen US-Realismus erzählt. Sie gilt als eine der einflussreichsten feministischen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts. Piercys Arbeit wurzelt in ihrem jüdischen Erbe, ihrem kommunistischen sozialen und politischen Aktivismus und feministischen Idealen.
Ihre Bücher erzählen von verschiedenen Lebenswelten, insbesondere weibliche und jüdische.
In "Frau am Abgrund der Zeit" (1976) kritisierte sie radikal die Psychiatrie in den USA der 1970er Jahre. Zugleich entwickelte sie die bis heute faszinierende Utopie einer auf genossenschaftlichem Gemeineigentum beruhenden Wirtschaftsform und einer ökologisch orientierten Wissenschaft.
Weitere Themen in ihren Büchern sind: Umweltzerstörung, Atomkrieg, Zweiter Weltkrieg (hier insbesondere der Alltag des Krieges, wie ihn Frauen erleben).
Lesetipp: Die Frau am Abgrund der Zeit
1976, deutsch: 1986
Inhalt
"Die Mexikanerin Consuelo ,Connie' Ramos stellt an ihr Leben in New York keine hohen Ansprüche: eigene vier Wände, etwas Gutes zu essen, ein bisschen menschliche Wärme. In ihrer von Gewalt und Drogen regierten Welt bekommen aber nur rücksichtslose Männer und willig-schöne Frauen, was sie wollen.
Schon an diesen Regeln muss die mutige Connie scheitern. Als sie ihre Nichte Dolly vor den Misshandlungen eines fiesen Zuhälters schützen will, steckt dieser sie kurzerhand in die geschlossene Psychiatrie. Connie wird mit Psychopharmaka ruhig gestellt und soll sich für ein medizinisches Experiment Elektroden in den Schädel pflanzen lassen. Und das sind nicht ihre einzigen Probleme. Eine charismatische Person namens Luciente nimmt gedanklichen Kontakt mit ihr auf. Connie lässt sich von ihr in eine Zukunft ziehen, die sich nicht geradlinig aus unserer Zeit entwickelt hat. Die Menschen leben in umweltbewussten kleinen Gemeinschaften und nutzen ihre hochentwickelten Technologien nur zum Erhalt ihrer Lebensqualität und für stupide oder gefährliche Arbeiten. Rassismus und Geschlechterdifferenzen sind abgeschafft, neue kollektive Organisationsformen setzen die beständige geistige und kreative Entwicklung des Individuums vor materielle Ziele."