21.4.24

Annie Proulx: Ein Haus in der Wildnis

Endlich schaffe ich es, mal etwas mehr über ein Buch zu schreiben, als nur den Klappentext und Buchbeginn. Dabei ist es kein Buch, dem ich die höchste Wertung geben würde.

Doch ich möchte schon seit Jahren einen zweiten Versuch mit dieser Autorin wagen, von der ich mir auf Verdacht eine Reihe Bücher gekauft habe, weil einige Leserinnen, deren Urteil ich doch ganz gut vertraue, von Annie Proulx schwärmen. 

Der erste Versuch - "Schiffsmeldungen" ging schief. Ich hatte vorab die Verfilmung gesehen. Zu krass fiel mir der Unterschied der Hauptfigur zwischen Buch und Film aus. Dabei gefiel mir die Geschichte sehr gut. Und ich werde es mit dem Buch noch einmal probieren.


Inhalt

Wer kann so verrückt sein, sich mit über siebzig Jahren noch ein Haus in einer völlig unzugänglichen Wildnis zu bauen?

Annie Proulx natürlich.

In ihren Erinnerungen erzählt Annie Proulx von der Liebe zu ihrer Wahlheimt Wyoming und ihrem Traum, sich dort, in einer ganz einsamen Gegend an einem Fluss unterhalb schroffer Klippen inmitten von Präriegras und Sumpf, das Haus ihrer Träume zu bauen. Zugleich erforscht sie die Geschichte dieses einst von Indianern besiedelten Landstrichs sowie die faszinierende Familiengeschichte ihrer französischen Vorfahren, erinnert sich an ihre Kindheit, beobachtet Vögel und Natur. Annie Proulx abenteuerlicher Traum von einem Haus in der Wildnis wird so zum Panorama eines reichen Lebens und einer ganzen Welt.

 

Zu Beginn erzählt die Autorin von ihrer Familie. Die Erinnerungen reichen da bis ins 16. Jahrhundert zurück. 

Und immer wieder fließt Historisches über diesen Landstrich mit ein.

"Im Wesen des Menschen ist etwas, was unermüdlich danach strebt, die Vergangenheit entweder auszulöschen oder nach Hause zu tragen."

Oder auch eine schöne Naturbeschreibung:

"Eines Samstags Anfang Juni fuhren wir bei verblüffend windstillem Wetter zum Gipfel der Klippe von Bird Cloud hinauf. Stechmücken umschwärmten uns. Präriehunde bezogen wachsam Stellung, einen Fuß im Bau, und beäugten uns argwöhnisch. Die Bodendecker am Rand der Klippe und an ihrem Abhang waren voller Kissen unzähliger winziger Blüten, weiß, blau, gelb purpurn. Eine Pflanze namens ,Eriogonum', als wilder Buchweizen bekannt, gefiel mir besonders gut. Verschwenderisch blühten überall der Indianische Malpinsel in seinen vier Farben. Johanniskraut und gelber Mauerpfeffer, Hüllblumen und Flammenblumen, weiße Vergissmeinnicht und leuchtend blauviolette Lupinen. Auf dem Rückweg zum Haus hinunter am späten Nachmittag kamen wir an dem Lieblingsbaumstrunk des Virginia-Uhus vorbei, auf dem der Uhu döste, bis es Zeit wäre, sich aufzuraffen und nächtens Furcht und Schrecken zu verbreiten..."

Die Gegend, in der Annie Proulx bauen lässt, und sie ist immerhin schon über 70, ist sehr rau. Vom Wetter her, aber teilweise auch durch die Nachbarn, die hauptsächlich Rancher sind. Und die Kühe machen viel an Natur kaputt.
Dabei hat sie das Grundstück von einer Naturschutzbehörde gekauft. Aber denen ist weniger an Naturschutz gelegen, als an Geschäften mit den Ranchers.

Über den Hausbau erzählt sie sehr detailliert. Man könnte meinen, das lese sich langweilig, doch im Gegenteil, sie schreibt sehr interessant. Es geht vieles schief. Der Architekt zum Beispiel weiß anscheinend alles besser. So einige Gewerke schlampen. Über andere Sachen ist sie begeistert. Sie mag ein Haus mit Ecken und Kanten. Sie mag Schattenspiele in den Zimmern.

Als sie den ersten Winter hier erlebt, stellt sie fest, dass sie diese Jahreszeit gar nicht hier wohnen kann, denn da ist niemand, der die Gegend, insbesondere den Weg zum Haus vom Schnee befreit.
Immer wieder machen die Kühe Ärger. Annie Proulx überlegt, einen arbeitslosen Kuhvertreiber einzustellen, weil sie nicht noch mehr Zäune aufstellen möchte. Aber Zäune verspäten sich nicht und machen keinen Urlaub.

Probleme gab es auch mit den Tausenden von Büchern, welche katalogisiert und eingeräumt werden mussten. Diese zwei Tätigkeiten ließen sich schlecht vereinbaren.

"Heute, Jahre später, wünschte ich, wir hätten die Bücher anders eingeordnet. Die Datei ist schwierig zu benutzen. Die Stichwörter sind ungenau oder überschneiden sich, und die Bücher sind schwer zu finden, sofern ich mich nicht an den Namen des Verfassers oder an den Titel erinnern kann. Das kann ich oft genug nicht und suche stattdessen nach einem Buch, das meiner Erinnerung nach einen beschädigten blauen Einband haben müsste und früher neben einem Buch über Raubtiere stand. Einer meiner Träume, der wohl nie verwirklicht werden wird, ist der, die Bücher von einem Bibliothekar neu ordnen zu lassen, der nichts auf meine halsstarrigen Vorstellungen über Ordnungssysteme gibt."

Gegen Ende des Buches gibt es noch viel Historisches. Besonderes Interesse zeigte Annie Proulx "an den Spuren jener Zeiten, als die Indianer hier gelebt hatten". Sogar ihr Grundstück war interessant für archäologische Grabungen.

Im letzten Kapitel "Ein Vogeljahr" erzählt die Autorin von der Vogelwelt, mit der sie sich ihre neue Heimat teilt.

Zitate

"Mit dem ,Abkommen' von 1985 zwischen den Anangu, den Ureinwohnern des Gebiets, und der Regierung wurden die Anangu gezwungen, Uluru und Kata Tjuta dem National Park Service zu überlassen und zu erlauben dass Touristen Uluru besteigen. Ungeachtet der Tafeln des Park Service, die lediglich kundtun, dass die Ureinwohner das Besteigen des Bergs als Entweihung betrachten, klettern jedes Jahr Tausende Touristen rücksichtslos auf den Felsen."


"Wir schlüpfen in von anderen errichtete Häuser oder Wohnungen und haben fast nie eine Vorstellung davon, wie dort früher gelebt wurde, ob der erste Besitzer einen Obstgarten mit Kirschen und Birnen unterhielt, wie es zu der bizarren Treppe mit verschieden hohen Stufen kam, ob das große Stück Schiefer im hinteren Garten ein Wolfsstein ist, ob Indianer diesen Ort kannten und was sie dort taten. Solche Dinge fragte ich mich, als meine Familie in Neuengland immer wieder umzog, unsere Herzen in Vermont zurückließ, nach North Carolina weiterzog und dann nach Maine zurück, ohne jemals Zugehörigkeit zu einem dieser Orte zu entwickeln."

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