18.6.20

Dem Vergessen entrissen - Hans Moral

Bevor ich 2001 nach Ostfriesland zog, habe ich mich gut drei Jahre zuvor mit der Rostocker Geschichte beschäftigt. Besonders interessiert hatte mich auch da schon, wie Rostock mit seinen jüdischen Mitbürgern umgegangen ist.
Nun ist das ja schon ein paar Jährchen her und mir ist nur noch im Gedächtnis geblieben, dass die Uni Rostock die erste Institution war, die ihre jüdischen Professoren entlassen hat, als es brenzlig wurde.

Herausgegeben wurde das Heft 1986 vom Rat der Stadt Rostock.


Hans Moral wurde am 8. September 1885 in Berlin geboren. Sein Vater war ein wohlhabender Kaufmann. Nach dem Schulbesuch erwarb er 1905 sein Reifezeugnis. Er studierte Zahnheilkunde und bestand bis 1911 das zahnärztliche und ärztliche Staatsexamen. Bis 1912 promovierte er zum Dr. der Medizin und der Philosophie.
Im Oktober 1913 kam Hans Moral nach Rostock; er erhielt eine Assistentenstelle am zahnärztlichen Institut der Universität und durfte ein Jahr später schon Vorlesungen an der Uni halten. Er entwickelte sich zu einem hervorragenden Forscher und Arzt auf seinem Gebiet.
Bis 1923 war er dann schon ordentlicher Professor der medizinischen Fakultät. Als ordentlicher Professor konnte er sicher sein; er war in dieser Position unkündbar. Nur die Disziplinarkammer konnte ihn entlassen.
Moral wurde auch im Ausland bekannt, war Mitglied ausländischer Zahnarztverbände und unternahm zahlreiche Vortragsreisen. Dass er seine Forschungsergebnisse auch im Ausland verbreitete, wurde ihm später als "Vaterlandsverrat" vorgeworfen. Man machte ihm auch den Vorwurf, im Ersten Weltkrieg nicht gedient zu haben. Und den Antisemitismus bekam er vor allem von den freipraktizierenden Zahnärzten zu spüren.
1932/33 steigerte sich das. Moral, der ohnehin nicht der Gesündeste war, litt nun auch unter Depressionen.
Der faschistische Reichskommissar Hildebrandt forderte Hans Moral Anfang April 1933 auf, freiwillig von seinem Lehrstuhl zurückzutreten. Ansonsten würde er abberufen. Fürsprecher hatte er nur im engsten Kreis seiner Mitarbeiter und durch seinen Freund Max Reinmöller.

Wie verzweifelt, aber gleichzeitig auch hoffnungsvoll er war, zeigt dieser Brief vom 14. April 1933 an den Rektor der Uni:

Magnifizens!
Das neue Beamtengesetz stösst mich in eine zweite Klasse von Menschen, darin liegt eine Ehrabschneidung, die ich nicht ertragen kann. Ich habe durch 20 Jahre meine Pflicht an der Universität getan und habe mir nichts zu schulden kommen lassen. Einen Dank für diese Tätigkeit verlange ich nicht, aber ich habe es auch nicht verdient, dass ich entehrt werde. Zugleich mit meinem Amt verliere ich aber auch meine Existenzmöglichkeit, sodass mir in der Tat nichts anderes bleibt, wie aus diesem Leben zu gehen. Mein letzter Gedanke gehört der Universität, möge sie sich weiter gut entwickeln und über sie nicht dasselbe Unglück hereinbrechen, das heute über mich hereingebrochen ist...

Schon am 8. März 1933 schrieb er einen Abschiedsbrief an die Medizinische Fakultät der Uni Rostock:

Die Entwicklung in Deutschland geht einen Weg, der wahrscheinlich zur Folge haben wird, daß man mich aus meinem Lehramt entfernt. Ich habe zwar meine Pflicht getan und habe nichts getan oder unterlassen, was als schlecht oder straffällig anzusehen wäre ... Ich bin Jude und habe nie ein Hehl daraus gemacht, ich bin aber meiner ganzen Einstellung nach Deutscher und bin immer stolz darauf gewesen, ein Deutscher zu sein, ein Deutscher, dessen Konfession die jüdische ist. Ich lehne es auch ab, aus äußeren Gründen, meine Konfession zu wechseln.

Hans Moral hätte Deutschland verlassen können. Ein Rechtsbeistand von ihm erledigte die bürokratischen Erfordernisse. Doch er hatte wohl nicht mehr die Kraft, durchzuhalten.

Am 6. August 1933 starb Hans Moral an einer Überdosis Veronal.

Er erhielt in Rostock auch einen Stolperstein.

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