15.7.21

Enchi Fumiko

 Die japanische Schriftstellerin Enchi Fumiko (2.10.1905-12.11.1986) lernte von Privatlehrern Französisch, Englisch und klassisches Chinesisch. Schon während der Schule las sie Oscar Wilde und Edgar Allan Poe. Sie besuchte die Frauenuniversität Ochanomizu und Vorlesungen von Osanai Kaoru über das Theater. Ihren literarischen Durchbruch schaffte sie mit dem Roman Himojii Tsukihi, für den sie 1953 den Preis der Gesellschaft der Schriftstellerinnen erhielt.

Leseprobe aus "Ahorn im Winter", abgedruckt in "Erkundungen - 19 japanische Erzähler" (Verlag Volk und Welt Berlin, 1989):

"Verliebt bin ich...", flüsterte Yoko vor sich hin, während sie im Spiegel ihr Gesicht betrachtete. Die Linien, die von den Wangen zu den Mundwinkeln führten, verzogen sich zu unbestimmten Wellenbergen und -tälern. Bedeuteten sie nun unterdrückten Schmerz oder zurückgedrängte Freude? Jedenfalls glaubte Yoko in dieser unnatürlichen Miene, von der sie sich selbst abgestoßen fühlte, den Kampf zu erkennen, den die zu ihrem Alter wenig passende, plötzlich aufgeflammte, sie bestürmende Lebensenergie gegen eine sich dagegenstemmende Kraft ausfocht. Im Augenblick aber, in dem ihr das klar wurde, regte sich in ihr auch schon der Instinkt der Schauspielerin, und prüfend blickte sie regungslos in den Spiegel, während ihre Fingerspitzen, die in Kreisen über die Wangen strichen, herauszufinden suchten, wie der Mechanismus, der hinter dieser unbestimmten Verzerrung steckte, die Muskeln in Bewegung setzte...

Eine deutsche Ausgabe des Buches habe ich leider nicht gefunden.

Bild: Enchi Fumiko, links, 1960


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