18.9.19

Charlotte Krüger: Mein Großvater, der Fälscher - Eine Spurensuche in der NS-Zeit

Ein Buch "Gegen das Vergessen"? Wo es doch hauptsächlich um einen Täter geht. Bei meinen bisher gelesenen Büchern ging es immer um die Opfer.

Charlotte Krüger ist die Enkelin besagten Fälschers. Für sie war er der Großvater, den sie geliebt hat. Sie war zehn Jahre jung, als er starb. Sie hat sich auf die Suche nach Antworten zu ihren Fragen gemacht.

Und Fragen gibt es jede Menge. Und zu jeder Antwort, die man glaubt, erhalten zu haben, gibt es wieder jede Menge Fragen. Und gibt es überhaupt "die Antwort"?

Ja, mit der "Operation Bernhard" hat der SS-Sturmbannführer Bernhard Krüger einigen Juden das Leben gerettet. Schließlich gibt es aus diesem Arbeitsteam jüdische Überlebende. Aber auch nur, weil das KZ befreit wurde.
Wäre dies nicht geschehen, und die Fälscherarbeit beendet, wären die jüdischen Menschen vergast worden. Schließlich wurden nur Juden für dieses Projekt ausgesucht.

So richtig zur Verantwortung gezogen wurde Bernhard Krüger offiziell ja nicht. Er wurde "entnazifiziert" und dachte, es wäre damit erledigt. Doch Jahre später musste er sich den Anschuldigungen seiner Kinder stellen. Und das war viel schlimmer für ihn.

Aber ist eine familiäre Aufarbeitung überhaupt möglich? Kann oder will man sich als Sohn, Tochter oder Ehefrau vorstellen, dass der Vater oder Mann ein Kriegsverbrecher ist? Kann man nicht besser mit der Vorstellung leben, dass derjenige keine andere Wahl hatte?

Was ich während des Geschichtsunterrichts nicht gelernt habe, war, dass die Konzentrationslager zum Teil nach dem Zweiten Weltkrieg auch von den Russen weitergenutzt wurden. Ich könnte das noch akzeptieren, wenn sie dort die Kriegsverbrecher inhaftiert hätten, aber so war es nicht, nicht nur. Beispiel: Georg Kohn wurde 1942 für das Fälscherunternehmen im KZ Sachsenhausen verpflichtet. Nach dem Krieg wollte er zurück in seine Heimat. Das war zu der Zeit, als in Charlottenburg über die künftigen Grenzen Deutschlands verhandelt wurde. Und so kam er in die russische Zone und wurde dort verhaftet. Sie wollten ihm nicht glauben, dass er Jude sei. Das ginge nicht, da er noch lebe. In seiner Verzweiflung erzählte Kohn dann, dass er zuletzt bei dem Fälscherkommando dabei war. Nun machte man ihm den Vorwurf, mit den Nazis kollaboriert zu haben. Und das Ungeheuerliche geschah: Er wurde im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Fast fünf Jahre hatte er gesessen für ein Verbrechen, für das eigentlich jemand anders hätte bestraft werden müssen.

Die Aufarbeitung ist noch lange nicht abgeschlossen. Und die Frage, warum Millionen Menschen einem Mann gefolgt sind, ist nicht leicht zu beantworten. Es gibt nicht "die Antwort" darauf.
Es ist aber wichtig, das zu verstehen. Damit es nicht noch einmal passiert.

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