9.4.20

Ricarda Huch


Ricarda Huch wurde am 18. Juli 1864 in Braunschweig geboren und starb am 17. November 1947 in Schönberg im Taunus, heute Stadtteil von Kronberg; Pseudonym: Richard Hugo). Sie war eine deutsche Dichterin, Philosophin und Historikerin.

 Ricarda Huchs literarisches Werk ist äußerst umfangreich und von thematischer wie stilistischer Breite. So begann sie mit Gedichten, schrieb dann jedoch zunehmend Romane und vor allem historische Werke, die zwischen Geschichtswissenschaft und Literatur angesiedelt sind.

Ricarda Huch widmete sich seit den 1910er Jahren der italienischen, deutschen und russischen Geschichte. Ihre historischen Romane sind meist psychologisch-biographisch. Unter anderem verfasste sie Biografien über Michail Bakunin und Federico Confalonieri. Ihre monumentale deutsche Geschichte entstand zwischen 1934 und 1947 und umfasst sowohl das Mittelalter als auch die Frühe Neuzeit.



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Es ist der 3. Oktober 1947. Wir befinden uns bei Ricarda Huch in Jena, im Oberen Philosophenweg 72. Im Flur etliches Gepäck. Sie nimmt Abschied von der Stadt, in der sie seit dem 1. September 1933 lebte. Dieses Haus war ihr Wunschrefugium mit Garten. Es gab ihr Halt "in einer Zeit, die aus Hitler, Not, Bomben, Chaos bestand". Sie fühlte sich hier heimisch, traf sich wöchentlich mit Freunden, redete mit ihnen über Politik, Kochrezepte, Kunst und Liebhabereien. Unter ihnen befanden sich zum Beispiel die Juristen Heinrich Gerland und Hermann Schultze von Lasaulx, der Betriebswirtschaftler Ernst Pape, der Altphilologe Friedrich Zucker, Rektor der Universität, der Soziologe Franz Jerusalem und der Theologe Gerhard von Rad.
Tägliche Spaziergänge, regelmäßige Bibliothekszeiten, Anstehen auf dem Wochenmarkt, ihr Garten, die Nachmittage mit Enkel Alexander und das Schreiben in der "Baracke", dem einzigen beheizbaren Raum im Haus. Das war ihre Jenaer Zeit.
Ihr Schwiegersohn Franz Böhm unterrichtete an der juristischen Fakultät der Uni. Anfang 1938 wurden die beiden wegen Volksverhetzung angeklagt. Sie wurden zwar nicht verurteilt, jedoch durfte Böhm ab März '38 nicht mehr lehren und für Ricarda Huch gab es immer mehr Schwierigkeiten, ihre Werke zu publizieren.
Eigentlich wollte Ricarda Huch an ihrer Autobiografie arbeiten, doch drei Jahre dauerte das sogenannte "Heimtücke"-Verfahren ("ein 1934 erlassenes Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniform") an. Zudem war Krieg. Weihnachten 1943 schreibt sie: "Man hofft eben gar nichts mehr, fürchtet nur noch." Im Großen und Ganzen kam ihre Familie "mit grauen, blauen und braunen Augen" durch diese Zeit.

Am 18. Juli 1844 feierte sie noch ihren 80. Geburtstag in Jena. Und sie feierte nach dem Motto: "Es ist wie in Pestzeiten - am Rande des Abgrunds sind die Feste am lautesten." Ein Glückwunschtelegramm kam von Hitler; eine dicke Aufmachung vom "Völkischen Beobachter". Es gab eine offizielle Festschrift. Und sie bekam im Namen von Goebbels und der Heimatstadt Braunschweig den mit 30.000 Mark dotierten Wilhelm-Raabe-Preis. Schon 1933 hätten die neuen Machthaber sie gerne auf ihrer Seite gehabt. In ihrem Dankesschreiben vermied sie die Anrede "Mein Führer" und den Gruß "Heil Hitler". Das Geld nahm sie aus der Not heraus: "Ich empfinde es als einen Flecken auf der Ehre, den ich nicht auslöschen kann."
Als der Krieg zu Ende war, war sie seelisch und körperlich einfach nur erschöpft, sie wog keine 50 Kilo mehr. Aber sie hatte geschafft, was sie sich 1933 als Ziel setzte: Sie wollte Hitler überleben. Thüringen wurde nach Kriegsende in die Sowjetische Besatzungszone eingegliedert. Ihr Ruf als "Königin der inneren Emigration" war bei den sowjetischen Kulturoffizieren über jeden Zweifel erhaben. Die neue Macht wollte sie als politische Stimme des Aufbruchs. Und sie genoss fortan ihre fast kultische Verehrung und war in den verschiedensten Gremien tätig.

"Ich bin jetzt prominent, und das ist sehr zeitraubend. Ich bekomme fortwährend offizielle Besuche und offizielle Briefe, soll für die Studenten, oder für die Frauen, oder für die Wähler, oder für die Evakuierten ermunternde Aufrufe verfassen, tue es zwar nicht, muss aber erklären, warum ich es nicht tue."

Und doch tat sie es. "Für die Märtyrer der Freiheit" erschien am 25. Mai 1946 in den "Hessischen Nachrichten" Sie wollte Biografien schreiben, "Lebensbilder dieser für uns Gestorbenen aufzeichnen und in einem Gedenkbuch sammeln". Das brachte ihr Denunziationen bis hin zu Todesdrohungen, die sie aus Ost und West bekam. "'Sie wollen nun Mörder verherrlichen, Helden in den Schmutz ziehen, Mord ist Mord', schrieb man ihr."
Eineinhalb Jahre war sie gut dafür, vom kulturellen Neuanfang, demokratischem Aufbruch und dem einigen Deutschland zu plädieren. Doch spätestens ab Mitte 1946 drehte sich das Blatt. Sie wurde mehr und mehr zensiert, Ausreisegenehmigungen, die schon zugesagt wurden, wurden wieder zurückgenommen. Sie hörte von der Verschleppung unschuldiger junger Menschen und verglich die Zeit mit den vergangenen zwölf Jahren.
Eigentlich wollte sie nicht weg von Jena. Hier war ihr Publikum, ihre Freunde und Mitstreiter. Doch es ging für sie nicht anders. Es fügte sich, dass sie von Johannes R. Becher, damals Kulturbund-Chef, eine Einladung auf den Ersten Deutschen Schriftstellerkongress bekam. Der fand vom 4. bis 8. Oktober 1947 statt. Sie sollte für ihn die Ehrenpräsidentschaft übernehmen. Auf diesem Weg wollte sie dann in einem verplombten, englischen Militärzug in den Westen gelangen.

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