22.6.19

Carlos L. Dews: Carson McCullers - Die Autobiographie

Carson und Reeves McCullers Kriegsbriefe 1944-1945
Herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von Carlos L. Dews
Aus dem Amerikanischen von Brigitte Walitzek

Mit zahlreichen Photographien

Das Buch wird eingeleitet mit einem Zitat von William S. Burroughs:

Eine Rückschau auf ein Leben ist keine wohlgeordnete Aufzählung von Ereignissen von der Zeugung bis zum Tod. Vielmehr Bruchstücke daraus von hier und da.

Carson McCullers wurde nur 50 Jahre alt. Ihren letzten Geburtstag (17. Februar 1967) feierte sie im New Yorker Plaza Hotel, wo sie auch noch Interviews gab. Unter anderem erklärte sie, warum sie eine Autobiographie schreibt:

Ich denke, daß es für zukünftige Generationen von Studenten wichtig ist zu wissen, wieso ich manche Dinge tat, aber es ist auch für mich selbst wichtig. Ich wurde über Nacht zu einer etablierten literarischen Persönlichkeit, und ich war viel zu jung, um zu verstehen, was da mit mir geschah oder welche Verantwortung damit verbunden war. Ich muss unerträglich gewesen sein. Das, im Zusammenspiel mit all meinen Krankheiten, hätte mich fast zugrunde gerichtet. Aber wenn ich die Auswirkungen, die dieser Erfolg auf mich hatte, zurückverfolge und für zukünftige Generationen dokumentiere, hilft es ihnen vielleicht dabei, besser mit Erfolgen umzugehen.

Auf den ersten Seiten gibt es etwas Biographisches. Die Eltern und Geschwister werden erwähnt. Mit neun Jahren begann sie ein Klavierstudium, musste ihren Traum einer Konzertpianistin aber aufgeben, als sie krank wurde. Später diagnostizierte man bei ihr rheumatisches Fieber. So begann sie heimlich zu schreiben, da sie niemanden enttäuschen wollte. Sie reist später nach New York, um an Kursen teilzunehmen und arbeitete nebenbei für den Lebensunterhalt. Sie heiratete James Reeves McCullers jun., doch die Ehe war durch verschiedene Probleme belastet. Ihr Mann wollte sie sogar zum Selbstmord überreden, doch sie flüchtete. Er nahm sich dann alleine das Leben.
In ihren letzten 15 Jahren wurde Carson McCullers immer kranker. Literarisch hatte sie kaum noch Erfolg. Als sie mit der Autobiografie begann, war sie schon ans Haus und Bett gefesselt. Vom 18. April bis zu ihrem letzten Schlaganfall am 15. August diktierte sie den Entwurf einer Menge Menschen: Freunden, Familienmitgliedern, studentischen Hilfskräften. Es ist nicht mehr möglich, alle Identitäten festzustellen, die an dieser Arbeit mitgewirkt haben.

Der Name Annemarie Schwarzenbach taucht auf. In meinem SuB habe ich das Buch "Fast eine Liebe – Annemarie Schwarzenbach und Carson McCullers" von Alexandra Lavizzari stehen, in dem es um diese beiden Frauen geht.

Ich beneide Carson McCullers fast um ihre Kindheitserinnerungen:

Das Muster der Liebe hatte in meiner Kindheit begonnen. Ich vergötterte eine alte Dame, die immer wie ein mit Zitronenkraut gefülltes Duftkissen roch. Ich schlief bei ihr und kuschelte mich im Dunkeln an sie. Oft sagte sie: "Zieh dir den Stuhl bei, Liebchen, und sieh mal in der obersten Kommodenschublade nach", und dort fand ich dann irgendeine Leckerei. Ein kleines Törtchen oder einmal, zu meinem Entzücken, ein paar Kumquats. Diese erste Liebe war meine Großmutter, die ich Mommy nannte.

Der Autobiografie-Teil liest sich leicht und locker weg, aber ein so schönes Leben hat sie nicht gehabt.
Als Kind wurde sie falsch diagnostiziert und so bekam sie mehrere Schlaganfälle. Dann einen Alkoholiker als Mann, der sie nach der Scheidung nicht in Ruhe lies. Er verfolgte sie regelrecht und drohte damit, sich umzubringen, wenn sie ihn nicht wieder heiraten würde.
Am besten ging es ihr anscheinend immer, wenn sie schreiben konnte.

Carson McCullers hatte zwar ein kurzes, aber ein sehr erfülltes Leben. Und sie hatte sehr viele Freunde, was bei ihrem Erfolg sicher nicht selbstverständlich ist.
Robert und Hilda Marks lernte sie unter ungewöhnlichen Umständen auf einer Gartenparty kennen:

Für mich war der erste Teil dieser Party ein Desaster. Meine Schuhe fühlten sich komisch an, und als ich mit in der Reihe stand, um die Gäste zu begrüßen, fühlten sie sich immer komischer an und taten immer mehr weh. Und in dem Moment, als meine Füße so schrecklich weh taten, lernte ich die Marks kennen. Mein Gesicht war vor Schmerzen ganz verkniffen und meine Freundlichkeit in diesem Moment ziemlich falsch. Hilda bekam einen sehr schlechten Eindruck von mir. Dann, als diese endlose Party vorbei war und ich mich in einen Liegestuhl fallen lassen konnte, sagte John plötzlich: "Ach du meine Güte! Du hast deine Schuhe verkehrt herum an."

Glücklicherweise traf Carson McCullers die Marks später noch einmal wieder und sie wurden Freunde.

2 Kommentare:

  1. Huhu, Anne,
    diese Autobiographie habe ich auch gelesen. Ich habe vieles wieder vergessen, doch als ich deine Rezi gelesen habe, konnte ich mich wieder an gewisse Details erinnern. Dass Carson McCullers im ALter von vier Jahren einen Schlaganfall erlitten hat, das konnte ich mir gut merken, gerade weil ich in meinem Bekanntenkreis auch jemanden kenne, der dasselbe Schicksal erleilte wie Carson McCullers. Immer, wenn ich diese Frau treffen, muss ich automatisch an Carson McCullers denken, sowie ich an Kafka denken muss, wenn ich auf den Waldwegen schwarze Käfer sehe. Ja, ich sehe es auch wie du. Sie hatte wirklich ein kurzes Leben, dafür aber ein erfülltes. Ich kann dir ihre Romane sehr ans Herz legen, die super spannend geschrieben sind. Wenn mich jemand fragen würde, welches ihrer Romane ich am besten fand, könnte ich keine Antwort geben, denn sie sind alle gleich gut. Allerdings habe ich mich mit dem Buch "Das Herz ist ein einsamer Jäger" ganz stark identifizieren können.
    LG, Mira

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    1. Ein oder zwei Bücher habe ich von ihr stehen, liebe Mira. Aber wo. Ich muss warten, bis sie mir mal in die Hände fallen.
      Aber ich finde es toll, wenn man im realen Leben bei bestimmten Begebenheiten an ein Buch oder einen Autoren erinnert wird.
      Liebe Grüße, Anne

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