24.7.19

Alexander Sury: Ruth Binde - Ein Leben für die Literatur

Ruth Binde ist eine äußerst interessante Frau, Persönlichkeit.

"Dein Leben ist zu interessant, man kann es nicht einfach so zur Seite legen", schrieb Lukas Bärfuss nach der Lektüre der Biografie der Presseagentin Ruth Binde. Und Siegfried Lenz, den sie vor Jahren für den Hoffmann & Campe Verlag betreute, meinte: "Ohne den Beistand von Ruth Binde, kann man in der Schweiz nicht heimisch werden."

Laut Inhaltsangabe unterstützte Ruth Binde 15 Jahre lang den Aufbau des Diogenes-Verlages. Ich finde das sehr tief gestapelt. Da hilft auch das beigefügte Wörtchen "maßgeblich" nicht. Sie fing als "Mädchen für alles an", lektorierte, übernahm dann die Pressearbeit und bekam zusätzlich noch den Aufbau eines Theaterverlags aufgenackt. Und all das in einem Halbtagsjob. Mit einem Mann, der beruflich in seiner Arbeit aufging, kaum zu Hause war, später eine Freundin hatte und einem kleinen Kind.

Keine Frage, Ruth Binde liebte ihre Arbeit und sie betont, wie viel sie von Daniel Keel gelernt hat.
Als in immer kürzeren Abschnitten immer mehr Verlagsmitarbeiter kündigten, und sie das Gespräch mit Daniel Keel suchte, meinte er lapidar, sie könne ja gehen, wenn ihr was nicht passt. Und sie nahm ihn beim Wort. Sein Blumenstrauß und eine Entschuldigung konnten das nicht wieder gut machen. Sie sah nicht, dass das ehrlich gemeint war. Rudolf C. Bettschart, der den Verlag Mitte der 60er Jahre vor der Insolvenz rettete, sprach die letzten Wochen, bevor sie schlussendlich ging, kein Wort mehr mit ihr. Er meinte nur, dass sie einen Psychiater bräuchte.
Kein Wort der Anerkennung für ihre geleistete Arbeit!!!

Was Ruth Binde in diesem Verlag geleistet hat, erkennt man vielleicht daran, dass nach ihrer Kündigung (die übrigens ein Sprung ins kalte Wasser war) für ihre Tätigkeiten drei neue Leute eingestellt wurden.
Doch was nun? Mut machten ihr zahlreiche Reaktionen von Verlagsleuten, Journalistinnen und Redaktoren. Hier einige Beispiele:

Peter Zeindler, damals Kulturchef beim Schweizer Fernsehen:
"Ich könnte mir vorstellen, dass es für Herrn Keel nicht einfach sein wird, einen ebenbürtigen Nachfolger zu finden."

Margrit Sprecher, Journalistin, damals bei der "Elle":
"Sie werden uns bei Diogenes sehr, sehr fehlen, denn manche unserer besten Dinge verdanken wir Ihnen und Ihrer ,raschen Schaltung'."

Ruth Liepmann, Literaturagentin, erlitt einen "richtigen Schock":
"Ich habe Ihre Arbeit seit vielen Jahren verfolgt und Sie sehr bewundert, wie Sie sozusagen aus dem Nichts bei Diogenes den Theaterverlag aufgebaut und wie Sie die Nebenrechte verwaltet haben."

Doch wie soll es nun weitergehen? Sie muss schnell eine Arbeit finden. Die Alimente kommen nur unregelmäßig und sie hat immer nur halbtags gearbeitet. Andere Leute würden Stellenangebote studieren. Aber Ruth Binde will sich eine auf ihre Fähigkeiten zugeschnittene Position schaffen, etwas Neues: Presseagentin im Kulturbereich mit Schwerpunkt Buch.
Und sie schafft es: Nach einem Besuch in Hamburg beim Verlag Hoffmann und Campe wird sie dessen Presserepräsentantin für die Schweiz und Österreich.

Aber auch außerhalb des Verlages nimmt sie Aufträge an. Und so folgen viele Namen von Künstlern, von denen mir die meisten nicht bekannt sind. Doch über Ruth Binders vielseitige Tätigkeit zu lesen, ist äußerst interessant.
Aus der Erinnerung weiß sie nicht mehr, warum sie bei Hoffmann und Campe gekündigt hat; sie glaubt, weil der Verlag ihrer Forderung nach mehr Geld nicht nachkam. So kam sie zum S. Fischer Verlag. Auch hier "sind die Kontakte mit den Autorinnen und Autoren für sie die ,Konfitüre auf dem Brot'".

Der Fischer Verlag war für Ruth Binde nicht die letzte Station. Doch wie ihr Weg weiter verlief, lest selbst.

Für viele Leser und Buchfreunde hatte Ruth Binde sicherlich den perfekten Beruf. Doch es war mehr: Es war tatsächlich ein Leben für die Literatur.

Ruth Binde an ihrem 80. Geburtstag im März 2012:
"Ich weiß, dass ich auf dem Papier alt bin. Aber alt fühle ich mich erst, wenn ich nicht mehr lesen, nicht mehr meinen Balkon bepflanzen, nicht mehr meine Konfitüren einmachen und nicht mehr meine Freunde bewirten kann."

Ruth Binde zu Gast beim Glogger-Talk

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