27.3.20

Nahid Shahalimi

Die 1970er Jahre, in denen Nahid Shahalimi in Kabul geboren wurde, nennt sie das "Goldene Zeitalter" Afghanistans. Das Bild, das uns heute von diesem Land und vor allem von seinen Frauen gegeben wird, gab es damals nicht. Gerade in den Städten war es normal, dass Mädchen die Schule und die Universität besuchten. Frauen nahmen am wirtschaftlichen und politischen Leben teil, waren Wissenschaftlerinnen, Lehrerinnen, Ärztinnen. Burka, Tschaderi oder Schleier trugen nur die Frauen, die es von sich aus wollten. In Kabul sah man sie eher selten. "Afghanistan war damals einer der einträchtigsten Vielvölkerstaaten der Welt."

Als die sowjetische Armee 1979 in Afghanistan einmarschierte, war diese schöne Zeit vorbei. Es folgten Kriege, die die Infrastruktur des Landes fast vollständig zerstörten. Bis heute ist das Land nicht wieder zur Ruhe gekommen. Ganz im Gegenteil: "Von vielen renommierten internationalen Organisationen wird Afghanistan als eines der gefährlichsten Länder der Welt eingestuft, besonders für Frauen."

Der Vater war ein angesehener Politiker. Als er krank wurde, verweigerte die kommunistische Regierung ihm die Ausreise für eine notwendige Operation. Das übernahmen russische Ärzte, unter deren Händen er dann starb. Der Familie hinterließ er ein sehr großes Vermögen, doch die Witwe wurde bedroht, wenn sie das nicht hergibt, würden sie und ihre Töchter Schlimmes erleben.

So blieb der Mutter mit den Kindern nur die Flucht: "Wir gingen zu Fuß in Richtung Pakistan, nur mit den Kleidern, die wir am Leib trugen, und ohne Essen und Wasser. Einerseits verließen wir Afghanistan wegen des Krieges, der mit jedem Tag näher an Kabul heranrückte, hauptsächlich aber flohen wir, weil der Wohlstand und unser Geschlecht für uns zum Fluch geworden waren."

Zwölf Jahre jung war Nahid Shahalimi, als sie glücklicherweise von Kanada eine Einreiseerlaubnis erhiel. Doch sie galt als "staatenlos". Trotzdem begann für sie ein neues, abenteuerliches Leben. Der Mutter war das Lernen das Allerwichtigste. Und so besuchten alle gemeinsam das College, machten alle Eingliederungskurse, studierten. Nahid Shahalimi belegte Internationale Politik mit besonderem Schwerpunkt auf Menschenrechte. Und sie spielte professionell Volleyball.

Nahid Shahalimi "hatte das Gefühl, dass es in der westlichen Welt wenige Informationen, dafür aber viele Vorurteile über afghanische Frauen gab". Und so entschloss sie sich 2014, ein Buch über afghanische Frauen zu schreiben. Dafür reiste sie zwei Jahre lang immer wieder in ihr Heimatland.

Nahid Shahalimi hat unter teilweise schwierigen Bedingungen viele Frauen interviewt. Auf manche stieß sie durch Zufall, von vielen erfuhr sie von befreundeten Journalisten, Freunden und Bekannten. Doch die beschwerlichen Reisen zu den Frauen, ihr Misstrauen der Fremden gegenüber, die Bedrohung durch Attentate waren es wert, sich mit diesen Frauen zu treffen.

"Dieses Buch möchte ein neues Licht auf die Persönlichkeiten einiger afghanischer Frauen und ihre Situation werfen, vor allem aber möchte es die andere Seite des mitunter so einseitigen Opferbildes zeigen, das so oft in den Medien gezeichnet wird. Unglaubliche Widerstandskraft, große Leistungen und noch größere Träume sind die Kräfte, die bei jeder einzelnen dieser afghanischen Frauen durchscheinen. Sie alle sagen: 'Wir wollen Afghanistan nicht verlassen. Es ist unsere Heimat, und wir werden das Land gemeinsam gestärkt wiederaufbauen.'"

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